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Das Buch zum Thema: Natur als Politikum, hg. von M. Maurer/O. Höll, Wien 2003
Zeit: Freitag, den 14.11. (9-19h) und Samstag, den 15. November 1997
(9.30 - 20 h)
Ort: Wien, Österreich
Zu den AUSGANGSPUNKTEN der Veranstaltung, die wir ausführlicher in unserem "Call for papers" (CFP) und in dem Grundsatzpapier von Matthias Weimayr beschrieben haben, gehört der Befund, daß mit technischen Mitteln immer stärker verändernd in die "Natur" eingegriffen wird, sie gleichzeitig "reproduzierbar" gemacht werden soll, aber der Begriff "Natur" selbst keine klaren oder gar eindeutigen und gesellschaftlich verbindlichen Konturen besitzt. Im inter- und transdisziplinären Dialog sollen die daraus resultierenden Konsequenzen geklärt und wünschenswerte Alternativen zu vorherrschenden Paradigmen formuliert werden.
Das PROGRAMM finden Sie untenstehend, zusammen mit LINKS zu den abstracts der einzelnen Vorträge. Wie Sie sehen, gibt es u.a. auch viele Beiträge aus feministischen Arbeitsrichtungen. Denn "Natur" wird in der westlichen Kultur traditionell als "weiblich" gedacht. Dies wurde zum Anlaß umfassender feministischer Untersuchungen, deren Thesen für jede Diskussion um "Natur" oder "Ökologie" unabdingbar sind.
Zusätzlich zu den vier grundlegenden Hauptvorträgen wird es (wegen
der vielen interessanten Vorschläge, die bei uns eingegangen sind,
nicht vier, sondern) fünf ARBEITSKREISE geben, die am Freitagnachmittag und am Samstag parallel zueinander
stattfinden. In den Arbeitskreisen sollten insbesondere
Anmeldungen an:
Frau Gertrud Hafner, IHS, Stumpergasse 56, 1060 Wien,
Tel. +43/1/59991-166, Fax +43/1/59991-171
Teilnahmebeitrag: 250,- ATS (Studierende/Personen mit geringem Einkommen 90,-
ATS).
Anmeldeschluß: 15. Oktober 1997
Programm zum Symposium (Änderungen vorbehalten):
DER NATURBEGRIFF
IN DER POLITISCHEN UND WISSENSCHAFTLICHEN KONTROVERSE
Vormittags (9.0012.15 h): Eröffnung und HAUPTVORTRÄGE für alle AKs
SAMSTAG, 15. November 1997
Abschlußveranstaltung:
Samstag, 15. November 1997, früher Abend: 17.1518.15 h: NATUR
ALS POLITIKUM Ein Podium mit allen ReferentInnen (Thesen) und
Abschlußdiskussion im Plenum (Berichte der AKs sollen in die Podiumsdiskussion
einfließen)
Nachfolgend finden Sie die abstracts zu ALLEN Vorträgen (zuerst die Hauptvorträge, dann die Vorträge in den fünf AKs, jeweils in der geplanten Reihenfolge des Programms. Änderungen vorbehalten).
Alphabetisches Register (Index) der ABSTRACTS ALLER ReferentInnen:
Blum, Richard Paul
Buchinger, Eva
Dingler, Johannes
Dröge-Modelmog, Ilse
Flodin, Pia Maria
Glöde, Fritz
Grundmann, Reiner
Haase, Ullrich
Halfmann, Jost
Hall, Lesley
Hauskeller, Christine
Heise, Hildegard
Hofkirchner, Wolfgang
Höll, Kathleen
Kanzow, Eckhard
List, Elisabeth
Michalitsch, Gabriele
Morris-Keitel, Peter
Neumann-Held, Eva-Maria
Pelinka, Anton
Rieß, Falk
Salter, Frank
Sanides-Kohlrausch, Claudia
Schiemann, Gregor
Schmidt, Burghart
Winterfeld, Ute von
Zimmermann, Rainer
o Hauptvorträge zum Symposium
DER NATURBEGRIFF IN DER POLITISCHEN UND WISSENSCHAFTLICHEN KONTROVERSE
HV, Reiner Grundmann
Soziologie und Natur: ein schwieriges Verhältnis
Nachdem der letzte Soziologentag die Natur durch die Pforten der
Soziologie
passieren ließ und gleichzeitig ein Sammelwerk der Kölner Zeitschrift
zum Thema Umweltsoziologie erschienen ist, soll das erwachte und
wachsende Interesse an einem vernachlässigten Gegenstand zu einigen
Reflexionen genutzt werden.
Die Beiträge in der KZfSS wie auch andere relevante Veröffentlichungen im angloamerikanischen Sprachraum lassen sich in drei Varianten gliedern (zwischen denen es freilich fließende Übergänge gibt): einige haben Selbstverständigungscharakter, andere nehmen eine theoretische Einordnung vor und dritte deuten eine praktische Relevanz soziologischer Erkenntnisse an.
Die erste Art der Auseinandersetzung konstatiert ein Defizit der
Soziologie: Soziologie hat sich traditionellerweise auf Nationalstaat
und Gesellschaft beschränkt.
Daraus ergibt sich eine Verlegenheit, wenn globale ökologische
Probleme thematisiert werden, und zwar aus zwei Gründen: einerseits
wird die internationale Dimension relevant, andererseits das Verhältnis
GesellschaftNatur. Den ersten Aspekt hat der Forschungszweig
Internationale Beziehungen besetzt, den zweiten bislang vor
allem Naturwissenschaftler und Ökonomen. (Den Kompetenzmangel
der Soziologie in Bezug auf Umweltprobleme kann man an der disziplinären
Herkunft der Autoren des Sonderbands der KZfSS ablesen: eine starke
Minderheit (fast die Hälfte) der Autoren und Autorinnen sind Nicht-Soziologen).
Die zweite Variante, also die theoretischen Ansätze, gliedern sich in Systemtheorie, Kulturtheorie (Konstruktivismus), Naturwissenschaftliche Aufklärung (Realismus), Rational Choice und Humanökologie. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen anhand ausgewählter Beispiele knapp skizziert werden.
Die dritte Variante schließlich versucht den Anwendungsbezug soziologischer Erkenntnisse aufzuweisen. Diesen Bezug will ich deutlicher herausarbeiten, indem ich die symmetrische Frage stelle Warum sind globale Umweltprobleme soziologisch interessant? Wenn Soziologen darauf eine Antwort haben, wissen sie auch, wonach sie Ausschau halten und worin ihre spezielle Expertise begründet ist.
Dr. Reiner Grundmann
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung
Lothringer Str. 78
D-50677 Köln
Tel. +49/221/33605-43
Fax. +49/221/33605-55
E-mail: gm@mpi-fg-koeln.mpg.de
http://www.mpi-fg-koeln.mpg.de
HV, Rainer Zimmermann
Naturbegriff und Selbstreflexion. Zum Experimentum Mundi aus heutiger
Sicht
Die Welt als Experiment: Es geht mir hier weniger um die Exegese
eines Blochschen
Begriffes (welcher den Titel seines zweiten Hauptwerkes darstellt),
sondern darum,
was hier zum Thema "Natur" philosophisch in Sicht zu nehmen sei.
Der Begriff
"Experimentum Mundi" fungiert hier also vor allem als technischer
terminus, nicht
vorrangig als Blochscher Begriff, auch wenn sich meine Auffassung
vom
gegenwärtig angemessenen Naturbegriff stark an Bloch aber auch
an einigen
anderen orientiert. Ich werde in meinem Beitrag davon ausgehen,
daß eine
Einzelwissenschaft wie die Physik gerade heute keineswegs
aus ihrem
gesellschaftlichen Verweisungszusammenhang herausgelöst werden
kann, der sie
den gleichen Veränderungen unterwirft, wie das für die Philosophie
und die Kunst
und den gewöhnlichen Alltag insgesamt gilt. Meine Frage zum damit
angesprochenen Vermittlungszusammenhang von "Natur"/Wissenschaft
und
"Gesellschaft"/Alltag lautet: Inwieweit streben neuere Theorien
von
Selbstorganisation und Strukturbildung (Chaostheorie) tatsächlich
auch eine neue
Naturkonzeption an, und zwar ein solche, der soziale Relevanz
zukommt? Prigogine
z.B. hat das (in einem früheren Aufsatz im "Merkur" und verstreut
in Bänden der
Pahl-Rugenstein-Reihe "Dialektik") so vertreten. Diese oder
eine ähnliche
Sichtweise hat jedenfalls wesentliche Folgen für den Autonomie-Aspekt
des
Naturbegriffs, der mithin in dieser Konzeption an einen NATURSUBJEKTBEGRIFF
gekoppelt ist. Ein solcher Ansatz eigentlich der griechischen
Stoa entstammend
war/ist auf der umfassenden Denklinie Spinoza-Schelling-Bloch
philosophisch immer
schon präsent. Doch was bedeutet ein solcher Ansatz heute und
wie/wohin könnte
er uns leiten? Mein Beitrag beinhaltet einerseits den Versuch,
einen ganzheitlichen
Ansatz für eine Erfassung des Zusammenhangs Ontologie-Epistemologie-Ethik
zu
entwickeln und andererseits, eine modern gewendete Metaphysik
als eine praktische
umsetzen, daß heißtheißt als eine solche, die den Einzelwissenschaften,
namentlich den
Naturwissenschaften, nachfolgt (anstatt ihnen zu widersprechen).
Prof Dr Dr R. E. Zimmermann
Fachbereich Allgemeinwissenschaften,
Fachhochschule
Lothstr 34
D - 80335 München
E-mail: <pd00108@sunmail.lrz-münchen.de>
HV, Elisabeth List
"Natur ist, was uns leben läßt". Grenzen des Naturbegriffs und
seiner
Politisierung
Der Begriff "Natur" hat eine voraussetzungsreiche Geschichte hinter
sich. Von der spätantiken Gleichsetzung von Natur und göttlicher
Ordnung bis zum neuzeitlichen Modell der mechanischen Weltordnung,
das noch heute bestimmend ist, reicht die lange Tradition inhaltlicher
Bestimmungen von Natur als dem "Anderen der (menschlichen) Vernunft".
Was es damit auf sich hat, möchte ich am Beipiel der "je eigenen
Natur", der
"menschlichen Natur", exemplarisch verdeutlichen. Es ist ihre
Körperlichkeit, durch
die sich Menschen selbst als Teil der Natur wahrnehmen. Versucht
man, Leiblichkeit,
die je eigene situierte und konkret gelebte Körperlicheit, zu
analysieren, zeigt sich,
daß sie sich als immer schon in Anspruch genommene Bedingung der
Existenz einer
schlüssigen diskursiven Erfassung entzieht und damit auch der
vollständigen
Kontrolle und Verfügung.
Die philosophische Tradition metaphysischen "Seinsdenkens" hat
sich dieser Einsicht
verweigert und die Kontingenz (Zufälligkeit) des Leiblichen auf
das "Weibliche"
projiziert. (Nicht nur) aus feministicher Sicht ist somit "unsere
Natur" eben das, was
der Intentionalität rationaler Selbstbestimmung immer schon vorgegeben
ist, was
sie so einerseits möglich macht, aber sich ihr zugleich letztlich
entzieht. Das gilt für
die psychobiologischen und organismischen Voraussetzungen der
je eigenen
Körperlichkeit ebenso wie für ihre umweltlichen Bedingungen, und
auch die neuen
Modelle einer Naturwissenschaft und Mathematik "des Komplexen"
von der
Chaostheorie bis zur fraktalen Geometrie ändern daran grundsätzlich
nichts.
Mit anderen Worten: Das Motto "Natur ist, was uns leben läßt"
hat einen präzisen
theoretischen Sinn: Eine theoretische Bestimmung von Natur kann
nur eine
epistemologische sein jenseits aller inhaltlichen Festlegungen.
Das gilt auch für
den Begriff des Lebendigen, der der etymologischen Urbedeutung
von "Natur" als
dem, was geboren wird und vergeht, am ehesten entspricht. Darüber
hinaus ist der
Begriff "Natur" ohne Substanzverlust ersetzbar durch Begriffe
wie
Leiblichkeit/Körperlichkeit, tierische, pflanzliche, planetarische
Umwelt.
Aus einem solchen epistemologischen Verständnis von Natur als
Bedingung des
Lebendigseins ergeben sich auch politische Konsequenzen: Angesichts
sich
beschleunigender globaler Trends einer fortschreitenden technisch-industriellen
Aneignung organischer Lebensformen fordert etwa Michel Serres
einen "Vertrag mit
der Natur", der die politischen Gemeinschaften zum Respekt vor
der Autonomie des
Lebendigen verpflichtet. Teil dieses Vertrages wäre die Garantie
organisch-
physischer Lebensrechte, die durch die Fortschritte der Gentechnik
und der
Klonierung von Lebewesen mittlerweile zur Disposition stehen.
Ein Modell politischen Handelns mit der Natur wäre eine "Kritik
der politischen
Ökologie", als Kritik am ökonomischen, kulturellen und politischen
Umgang mit den
Ressourcen und Bedingungen des Lebendigseins, als Kritik an sich
historisch
transformierenden menschlichen Naturverhältnissen (S. Moscovici).
Ass. Prof. Doz. Dr. Elisabeth List
Universität Graz
Institut für Philosophie
Heinrichstr. 26/5
A-8010 Graz
Tel.: +43/316/380-2305
Fax: +43/316/356144
HV, Burghart Schmidt
Naturpolitik und Ästhetik
Warum ein anderes Naturverhältnis als das der neuzeitlichen Naturwissenschaften und ihrer rationalisierenden Technik? Einerseits geht es um das Contra zur Zerstörung der Naturbasis von menschlichem Leben, eine gleichsam im weiten Sinn hygienische Frage. Andererseits geht es um ethische Dimensionen gegenüber der Natur. Gibt es in der Nutzung durch den Menschen Ansprüche der Natur, die man ethische oder auch rechtliche Ansprüche nennen könnte? Richtig! Aber vor allem geht es über die Selbsterhaltung des menschlichen Lebens unter menschlichen Bedingungen hinaus und über den weitest möglichen Erhalt der Natur hinaus um menschliche Lebensqualitäten des ästhetischen Sinns. Ja sogar noch ethisch gemeinter Erhalt der Natur hat einen ästhetischen Hintergrund in der Ablehnung des Ausnutzens von allem und jedem. Das Ästhetische macht einen der ganz wichtigen Motivationsbereiche zu einem anderen Mensch-Natur-Verhältnis aus in Wissen/Handeln.
Prof. Dr. Burghart Schmidt
Gastprofessur für Philosophie an der Bildungsuniversität Klagenfurt
Hon. Prof. für Kunstphilosophie an der Universität Hannover, Fakultät
für Architektur
Privatdozent für Sozialphilosophie an der Universität Hannover
Lehrtätig auch an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien
Graf Starhemberggasse 4/31
A-1040 Wien
Tel. +43/01/505 84 67
Fax: +43/01/503 52 01
o ABSTRACTS ZUM AK1 (Moderation: Matthias Weimayr/Margarete Maurer),
in
der Reihenfolge des Programms
AK1, Gregor Schiemann
Zur Aktualität traditioneller Naturbestimmungen am Beispiel der
aristotelischen Entgegensetzung von Natur und Technik
Für die Charakterisierung des tiefgreifenden Wandels im Verhältnis
von Mensch
und Natur, der in unserem Jahrhundert eingesetzt hat, wird sowohl
in den
Wissenschaften als auch im öffentlichen Diskurs in vielfältiger
Weise auf
vormoderne Bestimmungen von Natur zurückgegriffen: Interpretationen
naturwissenschaftlicher Theorien lassen sich mit den Naturvorstellungen
antiker
Autoren verbinden (z.B. Heisenbergs Rückgriff auf Platon, Prigogines
Bezüge auf
Aristoteles), die fortschreitende technische Beherrschung der
Welt kann in die
Tradition der cartesischen Naturauffassung eingeordnet und, auf
historische
Gegenströmungen gestützt (Rousseau, Goethe, Schelling, etc.),
in
unterschiedlicher Form einer fundamentalen Kritik unterworfen
werden. Am Beispiel
der aristotelischen Bestimmung von Natur durch Entgegensetzung
zur Technik sollen
inhaltliche Modifikationen und Geltungsbegrenzungen aufgezeigt
werden, durch die
eine traditionelle Naturvorstellung in gewissen Verwendungszusammenhängen
unter den Bedingungen der Moderne zur erkenntnis- und orientierungsfordernden
Anwendung gelangt. Exemplarisch werden dabei ausgewählte Gegenstände
der
naturwissenschaftlichen Theoriebildung (Selbstorganisationstheorie),
von Natur-
Technik-Hybriden (Gentechnik) und vor allem auch des lebensweltlichen
Kontextes
thematisiert.
Gregor Schiemann
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Philosophie,
Wissenschaftstheorie und Naturphilosophie
Unter den Linden 6
D-10099 Berlin
Tel.+49/30/2093-2206
Fax: +49/30/2093-2290
AK1, Wolfgang Hofkirchner
Zur Bestimmung von 'Natur' und 'Gesellschaft' als korrelative
Kategorien
auf der Grundlage des Paradigmas der Selbstorganisation unter
besonderer
Berücksichtigung ihrer politischen Implikationen
Thesen
1. Die Existenz globaler Probleme macht zu einem wichtigen Kriterium
der
Bewertung ideeller Gebilde, inwieweit sie die Begründung von Handlungsoptionen
fördern oder hemmen, die auf eine Lösung dieser Probleme orientieren.
Naturbegriffe lassen sich danach bewerten, ob auf ihrer Grundlage
eine zielführende
ökologische Politik implementiert werden kann. Idealtypische Varianten
der
Naturpolitik sind Naturschutz gegen jegliche anthropogene Eingriffe,
Offenhalten der
Natur für alle beliebigen Nutzungsoptionen (Vernutzung und Verschmutzung
eingeschlossen) oder nachhaltige Naturnutzung.
2. Natur und Gesellschaft sollen unter Bezug aufeinander definiert
werden.
2.1. Folgende Möglichkeiten können unterschieden werden:
2.1.1. Unechte Korrelationen sind:
2.1.1.1. die Identifikation der Begriffe (Reduktionismus bzw.
Projektionismus);
2.1.1.2. die Scheidung der Begriffe (Dualismus/Holismus).
2.1.2. Eine echte Korrelation kann nur jenseits des Reduktionismus
und des Holismus gelingen (Emergentismus): Natur und Gesellschaft
werden historisch-genetisch und logisch-strukturell in einem begriffen.
Der Emergentismus ist die philosophische Grundlage der Selbstorganisationstheorien.
2.2. Sowohl anhand der Dialektik von Altem und Neuem und der von
Teil und Ganzem mag der Unterschied zwischen diesen drei Definitionsmöglichkeiten
veranschaulicht werden.
2.3. Die Begriffe Natur und Gesellschaft können nach drei
Aspekten betrachtet werden:
2.3.1. nach ihrem handlungsanweisenden Aspekt;
2.3.2. nach ihrem gegenständlichen Aspekt;
2.3.3. nach ihrem erkenntnishaften Aspekt.
3. Es zeigt sich, daß eine Politik der nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft eines Naturbegriffs bedarf, der vor dem Hintergrund einer Theorie evolutionärer Systeme gewonnen wird.
Wolfgang Hofkirchner
Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung
Technische Universität Wien
Möllwaldplatz 5
A-1040 Wien
Tel. +43/1/504 11-8633
Fax: +43/1/504 11-88
E-mail: <hofi@igw.tuwien.ac.at>
AK1, Fritz Glöde
Natur àla carte? Bemerkungen zur Uneindeutigkeit der Natur-Referenz
in
der Kontroverse um gentechnische "Realexperimente"
Nicht nur Matthias Weimayr schreibt unterschiedlichen wissenschaftlichen
Disziplinen
bzw. gesellschaftlichen Gruppierungen in ihrem Kampf um "symbolische
Ordnungen"
gegensätzliche Naturbegriffe zu, die sich entlang der polaren
Achse zwischen
"Essentialismus und Konstruktivismus" ordnen ließen. Auch andere
Autoren wie
Rainer Döbert oder Jost Halfmann postulieren eine mehr oder
weniger geordnete
Verteilung von Naturbildern auf gesellschaftliche Lager.
Ich möchte mit einigen Beobachtungen zur Gentechnik-Kontroverse
ein wenig
Wasser in den funkelnden Wein solcher wissenschaftlicher Konstrukte
gießen. Wie
mir scheint dies wäre die These meines Beitrags , wird auf
beiden Seiten der
Kontroverse sowohl auf Natur als "Objekt der Beherrschung" als
auch auf Natur als
"Objekt der Beherrschung" als auch auf Natur als "unaufhebbares
Apriori
menschlichen Handelns" rekurriert. Es handelt sich gleichsam um
eine "doppelte
Naturdialektik" in den gegensätzlichen Argumentationen von KritikerInnen
und
PromotorInnen gentechnischer (Freisetzungs-) Experimente. Die
Pointe wäre also,
daß der reklamierte Dualismus soziokultureller Diskurse (auch
in Gestalt einer
Vierfelder-Matrix) keineswegs linear kontroversen Lagern zuzuschreiben
ist, sondern
je nach Kontext, Argumentationsnot und/oder Interesse auf letztlich
widersprüchliche
Weise aktualisiert wird.
Interessant wäre nun, die spezifischen Funktionen solcher Referenzen
zu
identifizieren, also herauszufinden, wofür die "crossover" verwendeten
Naturbezüge
letztlich als "Chiffren" anzusehen sind. Ich werde versuchen,
anhand des
vorgestellten Exempels auch dazu einige Vermutungen anzustellen,
und hoffe so zur
Beantwortung der Weimayr'schen Frage nach dem "Politischen" in
den
(naturwissenschaftlichen) Naturdiskursen beizutragen.
Dr. Fritz Glöde
Forschungszentrum Karlsruhe
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640, D-76021 Karlsruhe
Tel. +49/7247/82-3979 oder -2500
Fax: +49/7247/82-4806
E-mail: gloede@afassun3.fzk.de
WWW http://www.itas.fzk.de
AK1 (und AK4), Jost Halfmann
Spannungen zwischen naturwissenschaftlichem und ökologischem
Naturbild
Ich will einerseits zeigen, daß das ökologische Naturbild insbesondere
der
Ökosystemforschung eher naturalistisch ist (es gibt Ökosysteme),
während das
Naturkonzept der Physik konstruktivistisch ist (was daher rührt,
daß die Physik mit
dem Versuch, die Beobachtung der Natur selber physikalisch zu
beschreiben, auf die
Zirkularität aller Beobachtung stößt). Die Ökologiebewegung präferiert
das
naturalistische Naturbild und damit das Naturkonzept der Ökosystemforschung,
weil
anders der Protest gegen den Naturverbrauch nicht ausreichend
Autorität für sich
beanspruchen kann. Insofern entsteht eine Spannung zwischen dem
physikalischen
und dem ökologischen Naturbild. Die Ökologiebewegung muß nun nach
Mechanismen der Neutralisierung des physikalischen Weltbildes
suchen, die sie in
eine ähnliche Lage gegenüber der Physik wie die Religion bringen
könnte. Die
Abschirmung vollzieht sich über eine politische Auseinandersetzung
zwischen
reduktionistischen (Physik) und holistischen (Ökologie) Weltbildern.
Prof. Dr. Jost Halfmann
Technische Universität Dresden, Institut für Soziologie
Office: Bergstrasse 53 (von-Gerber-Bau), Raum 303
Tel.: +49/351/463-7370
Fax.: +49/351/463-7113
Mail: TU Dresden, Institut für Soziologie, Mommsenstrasse 13,
D-01062 Dresden
E-mail: <Jost.Halfmann@POP3.tu-dresden.de>
AK1, Falk Rieß
Natur im Labor. Der Wandel der Experimentalpraxis der Physik im
19.
Jahrhundert
An Beispielen aus der Entwicklung der Experimentalpraxis der Physik
im
19. Jahrhundert wird die Veränderung des ihr zugrunde liegenden
Naturbegriffs
beschrieben. Die Entwicklungslinien der Experimentalaufbauten,
Experimentalhandlungen sowie der dabei verwendeten Instrumente
spiegeln die
Herausbildung der naturwissenschaftlichen Teildisziplinen und
den Übergang von
qualitativen zu quantitativen Messverfahren und schließlich zur
Präzisionsmessung
wider. Dabei wird zunehmend der Beobachtungsgegenstand "Natur"
durch eine
künstliche, im Labor eigens zu Untersuchungszwecken herstellte
"künstliche"
Natur ersetzt. Dies geht einher mit der abnehmenden Bedeutung
von Naturstoffen
bei Konstruktion und Bau von Instrumenten. Die politische Dimension
dieser
Entwicklung umfaßt unter anderem die Globalisierung von Messverfahren,
die
internationale Einigung auf Einheiten und Normale sowie die Standardisierung
von
Messgeräten, was die wissenschaftliche Vorherrschaft bestimmter
Wissenschaftlergemeinschaften (vor allem aus England und Deutschland)
nach sich
zog. Die fast unbeschränkte Herrschaft über die Natur (und damit
auch über
Menschen) im 20. Jahrhundert wurde erst ermöglicht durch ihre
Neuerschaffung
durch die moderne (Natur-) Wissenschaft.
Dr. Falk Rieß
Fachbereich Physik
Carl von Ossietzky Universität
Oldenburg
E-mail: falk@pre.uni-oldenburg.de
AK1, Eva M. Neumann-Held
Was ist der Gegensatz zu "Natur"? Zur Kritik der Developmental
Systems
Theory an dichotomen Erklärungsansätzen
Die Verwendung des Begriffes Natur verweist sowohl im wissenschaftlichen
als auch
im gesellschaftlichen Diskurs auf dichotome Zuordnungen. Etwas
als "Natur" oder
"natürlich" zu bezeichnen, heißt gleichzeitig, es nicht dem Bereich
der "Kultur", der
"Technik", der "Zivilisation" zuzuschreiben. Darüberhinaus produziert
unsere
Gesellschaft weitere Dichotomien, die interessanterweise auf Gegenüberstellungen
der Art "Natur Kultur" projeziert werden. Dieses geht einher
mit normativen
Konnotationen, die sich allerdings nicht eindeutig der ein oder
anderen Seite
zuordnen lassen. Beispiele sind hier: "normal nicht normal",
"wild gepflegt", "Tier
Mensch", "Frau Mann", "frei zivilisatorisch eingeengt" etc.
Es hängt von
philosophischen, theoretisch/wissenschaftlichen und politisch/gesellschaftlichen
Faktoren ab, ob die Zuschreibung eines Merkmals als "natürlich"
positiv oder negativ
bewertet wird. Entsprechend mannigfaltig können die gesellschaftspolitischen
Folgen
oder Erwartungen ausfallen. Eine entscheidende Frage scheint demnach
hier zu
sein, aufgrund welcher Kriterien ein Merkmal als "natürlich" eingeordnet
wird. Hier
betreten wir das Gebiet der sogenannten "naturenurture" Debatten,
in denen
"biologisierende" Erklärungen gegen "psychologisierende" oder
soziale Erklärungen
gesetzt werden.
Gerade vor diesem Hintergrund ist es bedeutsam, daß gerade in
der Biologie mit der
Developmental Systems Theory (DST) eine neue Denkrichtung formuliert
worden ist,
welche die "nature nurture" Dichotomie in Bezug auf die Frage
nach der
Verursachung von Merkmalen zurückweist (Oyama 1985). Ich möchte
zunächst den
konzeptuellen Rahmen der DST skizzieren und von dem herkömmlichen
Paradigma
dichotomer Verursachung (genetisch vs. erworben) bei der Merkmalsausbildung
abgrenzen (I). Sodann werde ich auf begriffliche und theoretische
Konsequenzen
bzw. Probleme aufmerksam machen, die sich aus den bisherigen Formulierungen
der DST ergeben (II). Es scheint nämlich, daß DST die Einheit
des Organismus auf
der einen Seite aufgibt, während auf der anderen Seite die Individualität
jedes "sich
entwickelnden Systems" faßbar und betont wird. Schließlich möchte
ich die Frage
diskutieren (III), ob DST dem herkömmlichen Verständnis von
naturwissenschaftlicher Biologie verhaftet bleibt oder ob sich
hier ein alternativer
Zugang andeuten könnte, wie er in einer "Theorie der organischen
Praxis" entwickelt wird (Rehmann-Sutter 1996).
Dr. Eva M. Neumann-Held
Ruhr-Universität Bochum
Institut für Philosophie
D-44780 BOCHUM
email: <Eva.M.Neumann-Held@ruhr-uni-bochum.de>
o ABSTRACTS ZUM AK2 (Moderation: Barbara Holland-Cunz/Franz Seifert),
in
der Reihenfolge des Programms
AK2, Frank Salter
Taking constructionism seriously: A biological approach
Most social scientists would agree that human beings are evolved
animals. Yet some
political scientists avoid or reject biological hypotheses altogether.
The assumption
seems to be that the species' evolutionary past, though real,
is not a causal agent in
present political behaviours or structures. This position is indefensible
given existing
knowledge of human behaviour. Indeed, it is so indefensible that
it is not defended.
Instead, those who would divorce the social sciences, including
the study of politics,
from the natural sciences choose to defend a mundane truth supported
by all
biosocial scientiststhat our evolutionary past is not the sole
causal agent of present
society. This critique of "biological determinism" is valid, but
as a critique of modern
biosocial science it is a nonsequitur. An equivalent nonsequitur
in the physical
sciences would be attempting to use the trü claim that not all
chemical laws are
predictable from atomic physics, to discredit the claim that all
chemical phenomena
are caused by the interacting properties of atoms. Human beings
are the atoms of
social structure. Knowledge of human behaviour can tell us much
about social
structure, but not all. Complete reductionism is prevented by
emergent properties of
groups and institutions, by sheer complexity, and by the artificial
nature of
organizations. It is the artificiality of societies organized
beyond the size of hunter-
gatherer bands that occupies the remainder of the presentation.
Social technology
theory is outlined, and it is argüd that this line of analysis
takes social
constructionism seriously by addressing the questions of who does
the constructing,
from what, and how. The result is a theory not only compatible
with modern
behavioural biology, but able to draw creatively from it. The
theory thus
acknowledges both the artificialitythe constructednessof society,
and the
naturalness of individual human being. Applications of social
technology theory are
presented from past research on command hierarchies, and present
research on
ethnic mobilization rhetoric.
Frank Salter
Forschungsstelle für Humantheologie
D-82346 Andechs, BRD
Tel. +49/8152/373-55
Fax: +49/8152/373-70
E-mail: Frank Salter@compuserve.com
AK2, Uta von Winterfeld
Herrschaftsverhältnisse im neuzeitlichen Naturverständnis
Angesichts der ökologischen Krise, so formuliert es die feministische
Physikerin Evelyn Fox-Keller, könne es nicht mehr um Zähmung der
Natur gehen, sondern es müsse die Zähmung der Hegemonie über Natur
im Vordergrund stehen.
Auch wenn damit - in den Naturwissenschaften eher und deutlicher
als in den Sozialwissenschaften - begonnen worden ist, sieht sich
die "Zähmung der Hegemonie" über Natur mit zahlreichen Hindernissen
konfrontiert. Dies hängt auch damit zusammen, daß die Intention
zur - und später Umsetzung von Herrschaft über Natur am Beginn
der Neuzeit steht und tief in die Moderne (Wissenschaft wie Politik)
eingewurzelt ist.
Herrschaftliche Naturbilder können anhand von drei Kategorien
gefaßt werden:
1. Das dualistische Naturbild (vor allem René Descartes), in dem
Geist und Materie, Leib und Seele in ein herrschaftliches Subjekt-Objekt-Schema
gepreßt werden. Klaus Michael Meyer-Abich nennt dieses Bild das
der Vergessenheit menschlicher Naturzugehörigkeit. Das Herrschaftsverhältnis
offenbart sich da als patriarchal, wo die Unterlegenheit von Frauen
mit ihrer größeren Naturnähe begründet wird.
2. Das instrumentelle Naturbild (vor allem Francis Bacon), in
dem ein methodisches Instrumentarium den Weg weisen soll, auf
dem sich Menschen der Natur bemächtigen könnten. Die von Francis
Bacon konzipierte "Methode" kann als Beginn eines eingreifenden,
technischen Umgangs mit Natur in der Wissenschaft angesehen werden,
wobei mit Natur zum Nutzen der Menschheit instrumentell umgegangen
wird. Francis Bacon begreift sowohl das Verhältnis zur Natur als
auch das zur Frau als ein Gewaltverhältnis.
3. Im manipulativen Naturbild (schon angelegt bei Francis Bacon,
nachvollziehbar heute vor allem anhand der Gentechnik, etwa in
den Ausführungen von Francis Crick) geht es darum, Natur zu beeinflussen
und zu verändern, um - quasi in einem zweiten Schöpfungsakt -
eine "bessere Natur" herzustellen. Diese dritte Kategorie offenbart
sich auch im "Call for Papers" für das ÖGPW-Symposium: Natur sei
sogar reproduzierbar geworden. Dahinter steht der alte männliche
Wunsch, Leben hervorzubringen bzw. herstellen zu können. Diese
herrschaftsorientierten Naturbilder sind auch mit Blick auf die
Geschichte nie unumstritten gewesen - es gab immer auch Gegenbilder,
welche ganzheitlich (holistisch), kooperativ und emphatisch gefaßt
sind. Solcherart Gegenbilder haben sich jedoch kaum durchsetzen
können. Sie sind eher vereinzelt als Gegenstimmen hörbar geworden.
Einen Grund dafür hat Jürgen Habermas in seiner Festrede zum siebzigsten
Geburtstag von Herbert Marcuse formuliert. Ein anderes Naturverhältnis,
welches die Eigenheit von Natur anerkennt, könne erst erreicht
werden, wenn sich die Gesellschaft selbst von ihren Herrschaftsverhältnissen
befreit habe.
Dr. Uta von Winterfeld
Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie
Döppersberg 19
D-42103 Wuppertal
Tel. +49/202/2492-176
Fax +49/202/87291
AK2, Claudia Sanides-Kohlrausch Spermien männlich - Eizellen weiblich
(Abstract wird nachgereicht)
Claudia Sanides-Kohlrausch
Ruhr-Universität, Bochum
Fakultät für Philosophie
Korrespondez an: Stumpfebiel 4
D-37073 Göttingen
AK2, Anton Pelinka
"NATUR" als Verbot und als Immunisierung von Politik
1. Was als "Natur" bezeichnet wird, ist ein gesellschaftliches
Konstrukt und als solches Ergebnis politischer Prozesse. Gleichzeitig
erweckt eine solche Punzierung aber den Eindruck des Unveränderlichen,
des per se Unpolitischen.
2. Die Punzierung bestimmter gesellschaftlich wahrnehmbarer Phänomene
als "Natur" bedeutet, dieselben z.B. das Geschlechterverhältnis
als politisch nicht steuerbar hinzustellen und solcherart politisch
zu immunisieren.
3. Die historische und aktuelle Praxis dieser Punzierung zeigt,
daß sehr oft die Punze "Natur" zur Extrempolitisierung, also zur
extremen Veränderung bestehender Verhältnisse genützt wird (Beispiel:
Nationalsozialismus), daß also damit eine bestimmte Politik immunisiert
wird.
4. Gleichzeitig zeigt aber eine andere Praxis nämlich die Negierung
von Grenzen politischer Machbarkeit und damit von "Natur" eine
nicht reale Machbarkeitsphantasie (Beispiel: "real existierender
Sozialismus").
5. Ein sozial- und speziell politikwissenschaftlich konsistenter
Umgang mit dem
Konstrukt "Natur" erfordert doppelte Sorgfalt: eine ideologiekritische
Sensitivität bezüglich einer möglichen Immunisierung, das heißt
gegenüber der Instrumentierung von "Natur"; eine ökologische
Sensitivität bezüglich einer potentiellen Negierung der Grenzen
politischer Machbarkeit.
Prof. Dr. Anton Pelinka
Universität Innsbruck
Institut für Politikwissenschaften
Christoph Probst Platz
A-6020 Innsbruck, Austria
Tel. +43/512/507-2711
Fax: +43/512/507-2849
E-mail: ellen.palli@uibk.ac.at
AK2, Christine Hauskeller
Natur als Grenzbegriff kultureller Machbarkeit
Angesichts der kulturellen Überformung alles dessen, was früher
Natur gewesen zu sein schien, gibt es immer weniger, was wir heute
noch als "Natur" bezeichnen können: Aus Natur wird Landschaft,
Zuchtpflanze und -tier, die organischen Abläufe in Tier- und Menschenkörper
werden zunehmend kontrollierbar - der Bereich dessen, was dem
menschlichen Herrschaftsgebahren unverfügbar war, ja diesem antagonistische
Macht - Naturgewalt, wird geringer. So verschwindet Natur als
Gegenbegriff zu Kultur; letztere eignet sich zunehmend alle Bereiche
des Lebens an.
Dabei ist diese Naturdeutung ein Mißverständnis, daß auf einem
unangemessenen kulturhistorischen Verständnis und Wortgebrauch
von Natur beruht.
Der feministische Diskurs über Natur zeigt recht deutlich, wie
unterschiedliche Konzepte von "Natur" zu ganz verschiedenen politischen
Theorien und Forderungen gegenüber dem, was als Natur bezeichnet
wird, führen. Anhand einer kurzen Skizze des feministischen Konstruktivismus
(besonders J. Butlers) und seiner Auflösung des Naturbegriffs
möchte ich zeigen, daß die radikale Dekonstruktion des Naturbegriffs,
die diesen ausschließlich als patriarchales Herrschaftsinstrument
begreift, keine brauchbare politische Option darstellt. Der empirische
Grund ist, daß der reine Kulturrealismus keine Grenzen des Machbaren
mehr auch nur benennen kann und so die elementaren Existenzprinzipien
des Lebendigen verfehlt - was sich politisch fatal auswirkt. Theoretische
Einwände dagegen gibt es eine Reihe, angefangen damit, daß die
politsichen Ziele des Feminismus mit einer Auflösung der Kategorie
Frau kaum zu erreichen sein werden, bis zu der Überlegung, daß
die Verleugnung der Hinfälligkeit des lebendigen Leibes und der
Leidensfähigkeit der Person den motivationalen Ansatzpunkt für
politische Veränderung überhaupt aushebelt.
Dadurch wird die Frauenfrage nurmehr als eine der Gerechtigkeit
formulierbar, was sich längst als völlig unproduktiv erwiesen
hat, weil dabei elementare Vergeschlechtigungsfaktoren unberücksichtigt
bleiben.
Im Gegenteil bedürfe es, um die angestrebte politische Veränderung
zu erreichen, eines ausdifferenzierten und historischen Naturbegriffs,
der sich einerseits von der Biologie und andererseits von dem
Statisch-Zeitlosen löst, das "die Natur" in früheren, antiken
wie auch noch in der Romantik wiederbelebten Naturvorstellungen
auszeichnete.
Mag. Christine Hauskeller
Lehrbeauftragte für Philosophie
Technische Hochschule Darmstadt Im Schloß D-64283 Darmstadt
AK2, Johannes Dingler
Die 'Postmodernisierung' der ökofeministischen Theorienbildung:
Zur
Dekonstruktion des Naturbegriffs im Ökofeminismus
In der nordamerikanischen Tradition der Radikalökologie kann eine
zunehmende
'Postmodernisierung' des ökologischen Diskurses festgestellt werden.
Dabei zeigt
sich, daß dieser Diskurs, vor allem im Ökofeminismus, lange auf
einem impliziten
essentialistischen Naturbegriff basierte, der nun aber im Zuge
der
'Postmodernisierung' zunehmend dekonstruiert wird. Dies soll im
vorgeschlagenen
Papier aufgezeigt werden, indem gleichzeitig die neueren Entwicklungen
des
ökofeministischen Diskurses diskutiert werden.
Nach einer Dekonstruktion des anthropozentrischen Weltbildes im
ökologischen Diskurs radikalisiert der Ökofeminismus diese Analyse,
indem der
Anthropozentrismus selbst als androzentrisch und strukturell patriarchalisch
dekonstruiert wird. In der ersten Debatte des Ökofeminismus wird
demnach der
Androzentrismus dekonstruiert, während in der Rekonstruktion,
wie gezeigt werden
soll, die alternativen Begriffe, als 'das Andere' des Androzentrismus,
weiterhin
essentialistisch konzeptualisiert bleiben. Während im Androzentrismus
das
Maskulinen hochbewertet und das Feminine und die als feminin konzeptualisierten
Natur niederbewertet und subordiniert wird, vertauscht der Ökofeminismus
die Pole
der Bewertung je nach Strömung auf spezifische Art und versucht,
eine Alternative
auf der Basis einer affirmativen Verbindung des Femininen mit
einer femininen Natur
zu begründen.
Im Ökofeminismus wurde zunehmend deutlich, daß der Geschlechterbegriff
der ersten ökofeministischen Phase problematisch ist. Im essentialistischen
Ökofeminismus wird der Frau, auf Grund der These ihrer biologischen
Nähe zur
Natur, eine größere Kompetenz zur Lösung der ökologischen Krise
zugesprochen als
dem Mann. Dieser essentialistische Geschlechterbegriff des Ökofeminismus
wird
mehr und mehr in Frage gestellt, indem darauf hingewiesen wird,
daß Geschlecht
eine sozial konstruierte Kategorie darstellt. Im 'inversiven'
Ökofeminismus wird
deshalb zwar der essentialistische Geschlechterbegriff als sozial
konstruiert
dekonstruiert, das Feminine bleibt aber weiterhin durch seine
Nähe zur feminin
konzeptualisierten Natur die lösungskompetente Alternative. In
der zweiten Debatte
wird demnach der essentialistische Geschlechterbegriff dekonstruiert,
ohne jedoch
die Definition des Femininen und die homogene Konzeptualisierung
des Begriffs
selbst in Frage zu stellen.
Die Kontroverse zwischen Postmoderne und Feminismus aufgreifend,
versucht die 'dritte Welle' des Ökofeminismus zu zeigen, daß die
bloße
Deessentialisierung des Geschlechterbegriffs nicht weit genug
geht. Dies zeigt sich
auf zwei Ebenen. Erstens vollzieht die ökofeministische Dekonstruktion
einen
Wechsel von einer universellen Kategorie Frau, welche auf Identität
basiert, zur
Anerkennung der Differenz innerhalb des Geschlechterbegriffs.
Die Homogenität der
Kategorie Geschlecht wird dabei dekonstruiert und der ökofeministische
Diskurs zu
einer postmodernen Theorie der Differenz entwickelt.
Zweitens wird gezeigt, daß die, wenn auch sozial konstruierte
und affirmativ
gewendete Konzeptualisierung des Femininen dennoch nur eine Nebenprodukt
der
für den Androzentrismus zentralen Konzeptualisierung des Maskulinen
darstellt. Das
Feminine bleibt also durch die Kategorien des Androzentrismus
definiert, die gerade
überkommen werden sollen. Hierin manifestiert sich die zentrale
Ambivalenz des
Ökofeminismus: einerseits wird die Verbindung von Frau und Natur
als emanzipativ
zelibriert, andererseits muß diese selbst aber als problematische
Assoziation
innerhalb des Androzentrismus analysiert werden. Der ökofeministischen
Theorie
stellt sich dabei das Dilemma, die androzentrisch sozialisierten
femininen
Charakteristiken und ihre Verbindung zur Natur einerseits akzeptieren,
sie
andererseits jedoch gleichzeitig leugnen zu wollen.
In der dritten Debatte wird demnach der problematische feminine
und
homogene Geschlechterbegriff dekonstruiert, indem zum einen die
Abhängigkeit des
Femininen vom Maskulinen herausgearbeitet, zum anderen aber auch
die Differenz
innerhalb der Geschlechterkategorie betont wird.
Im Zuge der Dekonstruktion durch die dritte Welle zeichnet sich
aber
zunehmend ab, daß im Ökofeminismus einem sozial konstruierten
Geschlechterbegriff weiterhin ein essentialistischer Naturbegriff
gegenübergestellt
wird. Dies manifestiert sich auf zwei Ebenen. Zum einen wird Natur
als das Nicht-
menschliche, als das der menschlichen Kultur entgegengesetzte
betrachtet, so daß
der androzentrische Kultur-Natur Dualismus nicht hinterfragt wird.
Natur besitzt
demnach wesenhafte, prä-soziale und vom Menschen als solche erkennbare
Eigenschaften, die vom menschlichen sozio-kulturellen Kontext
unabhängig sind und
zum wesenhaft kulturell-menschlichen eine radikale Diskontinuität
aufweisen.
Zum anderen werden diese essentiellen Eigenschaften der Natur
mit einer
geschlechterspezifischen Definition versehen. Eine feminine Konzeptualisierung
der
Natur, welche im Androzentrismus noch negativ konnotiert wurde,
wird im
Ökofeminismus, wenn auch affirmativ umgedeutet, weiterhin beibehalten.
In einem
solchen essentialistischen Naturbegriff wird die Natur demnach
zunächst mit
femininen Charakteristiken assoziiert, als weiblich definiert
und diese Eigenschaften
schließlich als prä-soziale Natur der Natur gedeutet. 'Mutter
Natur' ist auch im
Ökofeminismus weiblich.
In neuen Entwicklungen des Ökofeminismus wird dieser essentialistische
feminine Naturbegriff, wie gezeigt werden soll, in einer aufkommenden
vierten
Debatte, mehr und mehr dekonstruiert und eine (bzw. mehrere)
Rekonzeptualisierung (-en) eines alternativen, nicht-essentialistischen
Begriffs der
Natur entwickelt. Der essentialistische Naturbegriff wird so durch
die These einer
sozialen Konstruktion der Natur abgelöst. Der Ökofeminismus anerkennt
damit nach
der sozialen Konstruktion des Geschlechterbegriffs auch den diskursiven
Charakter
des Naturbegriffs und versucht, durch ein 'Reinventing Nature'
alternative
Naturbegriffe zu entwickeln. Nachdem zunächst die diskursive Formierung
der
menschlichen Natur anerkannt wird, weitet der Ökofeminismus diese
sozialkonstruktivistische These schließlich auch auf die diskursive
Formierung der
'natürlichen Natur' aus. Erst durch diese Dekonstruktion des essentialistischen
Naturbegriffs kann, wie gezeigt werden soll, auch die grundlegende
Ambivalenz des
Ökofeminismus wirklich überkommen werden.
Die These der sozialen Konstruktion des Naturbegriffs wird von
verschiedenen
Seiten allerdings heftig kritisiert. Alle Ebenen der Kritik greifen
dabei die Auflösung
der Unterscheidung zwischen Kulturellem und Natürlichen an, welche
letztlich Natur
ganz unter Kultur subsumiert. Erstens wird argumentiert, daß dies
einen radikalen
Solipsismus impliziere, bei dem die materielle Existenz der Natur
geleugnet und die
Natur als bloße menschliche Erfindung negiert wird. Selbst die
ökologische Krise, so
der Vorwurf, sei dann schließlich nur noch menschliches Konstrukt.
Zweitens führe
die Annahme des diskursiven Charakters der Natur notwendig zum
Anthropozentrismus, da die Natur, als Konstrukt des Menschen immer
nur Wert für
den Menschen habe und nie einen Eigenwert besitzen könne. Ein
soziales Konstrukt
Natur ohne eigene Existenz könne nur noch aus menschlicher Sicht
als kulturelle
Konvention gedacht werden. Daraus folge drittens, daß der Mensch
die Natur gemäß
eigenen Interessen künstlich neuerfinden darf und soll und so
die Natur zu Gunsten
einer künstlichen Disneylandwelt geopfert wird. Viertens wird
schließlich als generelle
Kritik einer postmoderner Ökologie vorgeworfen, die diskursive
Formierung des
Naturbegriffs und seine vollkommene Subsumierung unter Kultur
führe schließlich zu
einem Relativismus, der letztlich jede Form der Politik unmöglich
mache.
In einer kritischen Diskussion dieser Vorwürfe soll anschließend
gezeigt
werden, daß alle vier Linien der Kritik vor allem auf Kategorienfehler
beruhen und
demnach nicht den Intentionen einer These der sozialen Konstruktion
der Natur
entsprechen. Eine postmoderne Wende mit der Implikation einer
Dekonstruktion des
Naturbegriffs, so soll argumentiert werden, ist im Ökofeminismus
letztlich
unvermeidlich.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß durch eine
zunehmende Postmodernisierung des Ökofeminismus nach der Dekonstruktion
des
Androzentrismus und des Geschlechterbegriffs auch der Naturbegriff
dekonstruiert
wird und nach adäquaten Rekonzeptualisierungen des Begriffs innerhalb
einer
postmodernen ökofeministischen Theorie gesucht wird.
Johannes Dingler, M.A.
Transvaalstrasse 20
D-13351 Berlin
Tel. +49/30/4519682
E-mail: jdingler@zedat.fu-berlin.de
o ABSTRACTS ZUM AK3 (Moderation: Otmar Höll/Volker Lauber), in
der
Reihenfolge des Programms
AK3, Eckhard Kanzow
Eine Aufforderung zum Tanz. Nachhaltigkeit - matrizentrische Werte
- Natur
- Leben
Im diesem Referat soll von "Frauen" und "Männern" die Rede sein.
Beiden werden
Eigenschaften und Potential beigemessen. Nach Kanzow ist aber
nicht jeder Mensch
Träger der oft behaupteten geschlechtsspezifisch bedingten Eigenschaften,
wenn
auch im großen und ganzen dieselben zutreffen. Ein individualpsychologischer
Ansatz vor dem Hintergrund der je persönlich und individuell durchlaufenen
Sozialisations- und Lernprozesse der jeweils erfahrenen und erlittenen
Einflüsse und
ihrer "Verarbeitung" kann durchaus Überschneidungen und "Rollen"-Verkehrungen
ergeben. Deshalb ist auch von "weiblichen" und "männlichen" Eigenschaften
die
Rede, wobei hier insbesondere keine ausschließliche Identifizierung
der Frauen mit
"weiblich" und der Männer mit "männlich" gemeint ist. Beide Geschlechter
können
weibliche und männliche Eigenschaften haben. Dennoch bleiben im
geschlechtsspezifischen Zugang zu Mitmenschen, Natur und Mitwelt
grundsätzliche
Unterschiede bestehen.
Es geht im Referat vor allem darum, deutlich zu machen, daß die
umfassendere und
weiblichere Potenz von Frauen nicht nur unser aller Verhältnis
zur mitmenschlichen
Natur revidieren und verbessern hilft, sondern Frauen auch heute
noch den größeren
und wesentlicheren Beitrag zu unserem ökologischen Wohlstand und
zur eigentlichen
Lebensqualität erbringen; "neue" Denkansätze und Entdeckungen,
neue
Dimensionen des Begreifens und Wahrnehmens, wie sie die Gaia-Hypothese
(u.a.)
eröffnet, in den Vorstellungen und Werten früherer Kulturen, die
dem Prinzip des
Weiblichen und dem "mütterlichen Erbe" verpflichtet waren, bereits
angelegt und
teilweise selbstverständlich waren. Solche Kulturen werden im
allgemeinen
"matrizentrisch" und nicht "matriachalisch" genannt, um dem Verdacht
vorzubeugen,
es handle sich um Gesellschaften, in denen die Frau herrscht;
die weiblichen und die
männlichen Prinzipien, Eigenschaften und Potentiale sind entgegen
allem
zeitgnössischen Augenschein nicht weiterstreünd, unversöhnlich
oder feindlich,
sondern - ohne Verwischung geschlechtsspezifischer Eigenschaften
- im Gegenüber
und Miteinander wird erst ihre eigentliche Potenz entwickelt.
Vieles von dem hier
Gesagten ist strittig, offensichtlich handelt es sich dabei aber
um Lernprozesse.
Dr. Eckhard Kanzow
Fachbereich 3 der Universität Bremen
Postfach 330 440
D-28334 Bremen
Tel. +49/421/218-2788
Fax: +49/421/218-4322, keine E-mail
AK3, Pia Maria Flodin
Autonomy lost: Heterotopia as Defeat of Humanity and "Natur" in
Orwell's
1984
One of the century's most well-known and in literature most debated
works is
George Orwell's novel 1984. Since its publication, scholarly response
to the work has
generally been concentrated with the theme of the book, the genre,
the writer's
intentions and the sources of the novel. What has been entirely
neglected as a
source, however, is Orwell's environmental discourse: his literary
and journalistic
observations, reports and constructions of the physical environment,
including the
non-built environment which we call "nature".
In the lecture, Pia Maria Flodin suggests that by visiting and
reading all the new
industrial and commercial places and landscapes of the British
30s, Orwell was able
to trace early totalitarian tendencies in his own culture and
in Western civilization,
tendencies by which he could imagine a totalitarian future, a
fictive space of
civilization, established through the complete and final cultural
acquisition of the
physical, non-built environment or "nature". Big brother even
controls the wood
where Winston and Julia meet.
Pia Maria Flodin,
Department of English
Åbo Akademi University
Vänrikinkatu 3
SF-20500 Turku
Tel. +358/2/265-4807
Fax: +358/2/265-4807
E-mail: pia.flodin@abo.fi
AK3, Kathleen Höll
Das Organismus-Umwelt-Feld-Konzept der Gestalttherapie
Die Gestalttherapie, eine Schule innerhalb der humanistischen
Psychotherapie,
formuliert ein Menschenbild, in dem die europäischen Dualismen
"Natur/Geschichte",
"Körper/Geist", "Individuum/Gesellschaft" aufgehoben werden, und
zwar durch die
ganzheitliche Denkfigur eines selbstregulierenden Organismus,
der in einem
ständigen Austauschprozeß mit seiner ökologischen und historisch-politischen
Umwelt begriffen ist. Psychische und intellektuelle Tätigkeiten
stehen gleichberechtigt
neben biologischen und physiologischen Prozessen.
Das Organismus-Umfeld-Konzept in seiner politischen Formulierung
bei Paul
Goodman überwindet den Dualismus von Natur und Geschichte, indem
Geschichte
als das Prinzip verstanden wird, in dem die spezifisch menschliche
Natur sich
aktualisiert.
Wie sich Geschichte in einzelnen Individün im Rahmen der Generationenabfolge
und im jeweiligen historisch gewordenen politischen Umfeld manifestiert,
und zwar
körperlich, emotional und kognitiv, wird an Beispielen zu zeigen
sein, speziell unter
dem hier gefragen Gesichtspunkt der Selbst-Instrumentalisierung
im Dienste einer
(Über-) Anpassung an gelernte Anforderungen seitens des gesellschaftlichen
Umfeldes.
Als "Natur" des Menschen läßt sich in diesem Rahmen die Gesamtheit
seiner
körperlichen, sensorischen, emotionalen, kognitiven und synthetisierenden
(Intuition)
Komptenzen, sich im Feld zu orientieren und gemeinsam mit anderen
zu
handeln, operationalisieren.
Kathleen Höll
Dreiständegasse 65
A-1230 Wien
Tel. +43/1/8898605
Tel. +43/1/7265614
Fax: +43/1/8898605
keine E-mail
Gabriele Michalitsch
Von der Hexe zum Engel des Hauses. Zur Domestizierung der weiblichen
"Natur"
Mit dem Beginn der Moderne tritt an die Stelle der auf Gott gegründeten
Ordnung
eine neue, von Menschen entworfene und um den Menschen zentrierte.
Die
Ordnung wird zum Projekt der neuen Zeit. Unter dem Postulat der
Eindeutigkeit ihrer
Elemente werden Mann und Frau neu definiert, in Abgrenzung voneinander
bestimmt, Ambivalenz ausgeschlossen. Die Frage nach deren Natur,
deren Trieben
und Leidenschaften von besonderer Bedeutung, soll die neue Ordnung
Bestand
haben wird neu gestellt.
Mit dem erfolgreichen Kampf gegen vor allem der Frau zugeschriebene
anarchische
Sexualität in den Hexenprozessen, die im England des 17. Jahrhunderts
zur Zeit
Bacons einen Höhepunkt erreichen, verschwindet der Topos der
Sexualität
weitgehend. Die Hexe verkörpert sexuelle Macht, führen doch letztlich
das
"angeborene Interesse der Frau an sexuellen Ausschweifungen, ihre
natürliche
Unersättlichkeit und ihre Affinität zu den fleischlichen Begierden"
zu Hexerei und
Teufelskult, wie der "Hexenhammer" aus dem Jahr 1486 feststellt.
Die Hexe
symbolisiert aber auch Natur und deren Gewalt, im Gegensatz zu
männlich
definierter Kultur und Zivilisation galt sie als wild, unbeherrschbar,
chaotisch und
gesetzlos, die neue Wissenschaft eine "rein männliche und keusche"
Angelegenheit.
Während die Ausforschung der Unterschiede der Körper in Physiologie,
Medizin und
Biologie im 19. Jahrhundert schließlich in der Pathologisierung
der Frau in Darwins
Evolutionstheorie mündet, die die niedrige Entwicklungsstufe der
Frau gegenüber
dem Mann festschreibt, ortet die politisch Theorie die Frau im
Privaten, im
Persönlichen, in der Reproduktion. Die Domestizierung der weiblichen
Natur von der
"Hexe" zum "Engel" des Hauses erfolgte in doppelter Hinsicht,
zunächst wohl als
Sublimierung im Erwerbsstreben, gleichzeitig jedoch muß die Natur
der Frau auf die
Reproduktion gerichtet werden, soll sie der ihr zugedachten Rolle
gerecht werden
und ihr der Bereich der Öffentlichkeit verwehrt bleiben.
Mag. Gabriele Michalitsch
Dresdner Straße 66/30
A-1200 Wien
Tel. +43/1/3333129
Fax: +43/1/5970635
o ABSTRACTS ZUM AK4 (Moderation: Günther Sandner), in der Reihenfolge
des Programms
AK4, Peter Morris-Keitel
Zwischen Fortschrittswahn und Ökophobie: Zum Naturbegriff der
deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
Seit der Veröffentlichung des ersten Club of Rome Berichts über
"Die Grenzen des
Wachstums" im Jahre 1972 und besonders im Zuge der Herausbildung
der
ökologischen Bewegung zeichnet sich in einem Teil der deutschsprachigen
Gegenwartsliteratur eine Naturauffassung ab, die sich immer mehr
von einem bloss
anthropozentrischen Umweltdenken entfernt und statt dessen zusehends
eine
scharfe ökologische und politische Kritik an der weltweiten Naturausplünderung
miteinbezieht. Einen Höhepunkt erreichte diese Literatur in den
achtziger Jahre
angesichts der nuklearen Bedrohung durch weltumspannende Konflikte
und Super
GAUs, worauf Autoren und Autorinnen wie Friedrich Dürrenmatt,
Günter Grass,
Christa Wolf und Gudrun Pausewang mit zahlreichen apokalyptischen
Untergangsvisionen in ihren Werken reagierten. Im Zuge des Abflaüns
der neuen
sozialen Bewegungen in den späten achtziger Jahren und im Zusammenhang
der
weltpolitischen Veränderungen zu Beginn der neuenziger Jahre scheint
die
Auffassung von "Natur als Politik" (Amery) in der Literatur wieder
in den Hintergrund
gerückt zu sein. Dem ist jedoch keineswegs so. Eine wachsende
Anzahl von
Gegenwartsautoren und -autorinnen greifen in ihren Erzählungen
und Romanen
bewusst die Verarbeitung ökonomischer, ökologischer und sozialer
Problemstellungen auf, wobei sie von einem Naturbegriff ausgehen,
der die
gesellschaftspolitische Realität von Fortschrittswahn und Ökophobie
explizit
widerspiegelt. Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Christine
Brückner, Johannes
Mario Simmel, Gerhard Gundermann, Christine Nöstlinger, Günter
Kunert und
Grass wollen mit ihren Erzählstoffen über die Befriedigung der
ästhetischen
Bedürfnisse ihres Lesepublikums hinaus vor allem jene naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse vermitteln, anhand derer sich die Zerstörung des
Naturhaushalts
eindeutig nachvollziehen läßt. Das Politische solcher naturhaften
Darstellungen
ergibt sich dabei aus der Dialektik des fast ausschliesslich technologisch
und
ökonomische verstandenen Fortschrittsdenkens und der unbegrenzten
Ausplünderung der Natur.
Am Beispiel ausgewählter Werke von Anton-Andreas Guha, Grass,
Gundermann
und Pausewang werde ich aufzeigen, inwiefern in diesen Werken
zum einen die
Warenästhetik des westlichen Industriekapitalismus blossgestellt
wird und zum
anderen ökologische Einsichten über die Luft-, Wasser- und
Bodenverschmutzung, das Bevölkerungswachstum, die Klimaveränderungen,
das
Ausrotten von Tier- und Pflanzenarten usw. in die Literatur eingang
finden. Darüber
hinaus werde ich darstellen, welche alternativen öko- oder biozentrischen
und
politischen Vorschläge im Hinblick auf eine zukunftsorientierte
Gesellschaftsordnung
entworfen werden, die sich wieder an einem geregelten "Stoffwechsel
zwischen
Mensch und Erde" (Marx) orientiert.
Prof. Dr. Peter Morris-Keitel
Assistant Professor of German
Department of Modern Languages Bucknell University
Lewisburg, PA 17837 USA
E-mail: pmorris@bucknell.edu
AK4, Eva Buchinger
Natur in der Theorie Sozialer Systeme
Die Natur ist bedroht! Diese Sorge läßt sich an einer Reihe unterschiedlicher
ökologischer Problemlagen festmachen, die vom befürchteten Klimawandel
über das Artensterben bis zur Vernichtung der Wasserreserven reichen.
In der öffentlichen Diskussion wird deshalb ein gesamtgesellschaftliches
Umdenken in Bezug auf unsere natürliche Umwelt, ein gesteigertes
Umweltbewußtsein, überhaupt eine neue Umweltethik gefordert.
In funktional ausdifferenzierten Gesellschaften so die Theorie
Sozialer Systeme muß aber berücksichtigt werden, daß Kommunikation
über Natur in den einzelnen Funktionssystemen einem je eigenen
Code folgt. Dieses funktionale Arrangement unterscheidet die moderne
Gesellschaft von ihren historischen Vorläufern. In einem Funktionssystem
wie zum Beispiel Wirtschaft oder Politik kann nur das behandelt
werden, was innerhalb des jeweiligen Codes verarbeitet werden
kann. Natur muß als Thema Resonanz im jeweiligen Funktionssystem
finden.
Aber nicht jede gesellschaftliche Kommunikation ist funktionsspezifisch.
Die Theorie Sozialer Systeme thematisiert in diesem Zusammenhang
den zentralen Stellenwert von Protest, wie er sich zum Beispiel
in sozialen Bewegungen manifestiert. Der Umstand, daß es lokale
umweltbezogene Bürgerbewegungen oder Umweltorganisationen wie
Greenpeace gibt, deutet auf Sinnzweifel an den Funktionssystemen
hin.
Ob funktionsspezifisch oder protestierend - in der Theorie Sozialer
Systeme muß die Gesellschaft über Natur kommunizieren. Passiert
dies nicht, dann bleibt Natur irrelevante Systemumwelt. Der äußerste
Fall wäre, daß das Soziale System aufgrund mangelnder/falsche
Prioritäten setzender Interaktion mit der Systemumwelt sich selbst
die biologische Lebensgrundlage entzieht und dies erst im Systemauflösungsprozeß
realisiert.
Mag. Eva Buchinger
Österreichisches Forschungszentrum Seibersdorf
A-2444 Seibersdorf
Tel. +43/2245/780-3886
Fax: +43/2254/780-3888
E-mail: buchinger@arcs.ac.at
AK4 (zusammen mit AK 1) Jost Halfmann
Spannungen zwischen naturwissenschaftlichem und ökologischem
Naturbild
Ich will einerseits zeigen, daß das ökologische Naturbild insbesondere
der Ökosystemforschung eher naturalistisch ist (es gibt Ökosysteme),
während das Naturkonzept der Physik konstruktivistisch ist (was
daher rührt, daß die Physik mit dem Versuch, die Beobachtung der
Natur selber physikalisch zu beschreiben, auf die Zirkularität
aller Beobachtung stößt). Die Ökologiebewegung präferiert das
naturalistische Naturbild und damit das Naturkonzept der Ökosystemforschung,
weil anders der Protest gegen den Naturverbrauch nicht ausreichend
Autorität für sich beanspruchen kann. Insofern entsteht eine Spannung
zwischen dem physikalischen und dem ökologischen Naturbild. Die
Ökologiebewegung muß nun nach Mechanismen der Neutralisierung
des physikalischen Weltbildes suchen, die sie in eine ähnliche
Lage gegenüber der Physik wie die Religion bringen könnte. Die
Abschirmung vollzieht sich über eine politische Auseinandersetzung
zwischen reduktionistischen (Physik) und holistischen (Ökologie)
Weltbildern.
Prof. Dr. Jost Halfmann
Technische Universität Dresden, Institut für Soziologie
Office: Bergstrasse 53 (v.-Gerber-Bau), Raum 303
Tel.: +49/351/463-7370
Fax.: +49/351/463-7113
Mail: TU Dresden, Institut für Soziologie, Mommsenstrasse 13,
D-01062 Dresden
E-mail: <Jost.Halfmann@POP3.tu-dresden.de>
AK4 (und Hauptvortrag Freitagabend) Elisabeth List
'Natur ist, was uns leben läßt'. Grenzen des Naturbegriffs und
seiner Politisierung
-- siehe Hauptvorträge --
Ass. Prof. Doz. Dr. Elisabeth List
Universität Graz
Institut für Philosophie
Heinrichstr. 26/5
A-8010 Graz
Tel.: +43/316/380-2305
Fax: +43/316/356144
o ABSTRACTS ZUM AK5 (Moderation: Wolfgang Müller-Funk), in der
Reihenfolge des Programms
AK5, Ullrich M. Haase
"Der Natur auf die Sprünge helfen?" Bemerkungen zur Entwicklung
des Naturbegriffes von Schelling bis Merleau-Ponty
Problemen im Umgang mit dem Begriff der Natur versucht dieser
Vortrag
nachzugehen, indem er sich zuerst auf die großen Naturphilosophen
des 19.
Jahrhunderts, Schelling und Nietzsche, bezieht, um daraufhin den
Bogen zu zwei
Versuchen zu schlagen, im Denken Heideggers und Merleau-Pontys,
einen neu
gewonnenen Begriff der Natur gegen die natürliche Einstellung
des gesunden
Menschenverstandes zu verteidigen. Was in dieser Untersuchung
deutlich werden
wird, ist nicht nur die Schwierigkeit, mit der wir den Naturbegriff
im Munde führen, sondern in welchem Sinne der Naturbegriff, gerade
im Rahmen dieser vier Denker, selbst politisch ist.
Unsere Begriffe von Raum und Zeit führen in sich gedacht zu Widersprüchen,
wie Nietzsche, damit den Diskurs über die Natur beginnend, sagt.
Von Schelling bis Merleau-Ponty finden wir eine Reflexion über
das Verständnis der Natur in Naturwissenschaft und Technik, die
sich insbesondere auf die Kategorien des
Politischen der Natur beziehen, insofern sie den Widerspruch von
Notwendigkeit und
Freiheit aufzuheben sucht. Anbetracht der Unbestimmtheit des Naturbegriffes
und
der daraus folgenden Naturblindheit des 20. Jahrhunderts sollte
uns die Wahrheit
und die Forderung von Nietzsche Feststellung über die unheimliche
Wichtigkeit
unseres Wissens und Handelns für die Zukunft aufgehen. Daß dabei
der "Natur"-Begriff in der politischen und wissenschaftlichen
Kontroverse" erscheinen wird, ist also dadurch deutlich, daß alle
vier genannten Denker den Naturbegriff in enger
Auseinandersetzung mit einer Kritik der politischen Dimension
der modernen
Naturwissenschaft bedenken.
Dr. Ullrich Haase, M.A.
Manchester Metropolitan University
Department of Politics and Philosophy,
Geoffrey Manton Building
Rosamund St West, Manchester M15 6LL, UK
Tel. +31/161/247-3452
Fax.: +31/161/247-6312
E-mail: U.Haase@mmu.ac.uk
AK5, Paul Richard Blum
Natur als Person Zur Geschichte des Naturbegriffs
Die These meines Vortrags ist vielleicht eine Provokation: Der
Begriff der Natur und
der Begriff der Person, beide Begriffe haben die gleiche Struktur.
Zwar hat es in der
Geschichte beider Begriffe zahlreiche Entwicklungen gegeben, die
kaum zu
vereinheitlichen sind, dennoch gibt es einen Punkt der Überschneidung,
und zwar
dort, wo Natur 'animistisch' aufgefaßt wird einerseits, und dort
wo Person aus der
Leib-Seele-Einheit verstanden wird, andererseits. Der Begriff
'Natur' soll in der
Philosophie folgende Probleme lösen: - Die Einheit der Welt
Die Vielfalt der Welt
Die Verstehbarkeit der Welt Die Eigenständigkeit der Welt
gegenüber dem
Menschen Die Zugehörigkeit des Menschen zur Welt Die erfolgreichste
Lösung
in der Geschichte war die Vergöttlichung der Natur. Allerdings
war dies nur zu
erreichen, wenn eine derartige Gottheit sich in der Welt verendlichte.
Hierzu waren
Modelle von Geistwesen erforderlich. Diese mußten der sichtbaren,
endlichen,
materiellen Welt einwohnen (andernfalls verloren sie ihre Wirkung
und
Erklärungsleistung). Die Person als Einheit von endlichem Körper
und tendenziell
unendlichem Geist traf sich mit dieser Art Natur. Das Grundproblem
der
philosophischen Anthropologie ist die Möglichkeit der Selbsttranszendenz,
d.h. des
Wirkens nach aussen entweder in die materielle Welt durch planendes
und
technisches Handeln oder zum unendlichen Geist schlechthin, der
identisch sein
muß mit dem Geist, der die Natur durchwaltet. Dies wurde in der
Regel durch
Bezug auf das innerste Selbst erklärt, das den Akt nach aussen
als Potenz der
Person dachte. Die Wirkmächtigkeit der Person liegt in ihrem innersten,
und auch
die Wirkmächtigkeit der Natur liegt in ihr selbst; sie ist meistens
als identisch mit
'Natur' gedacht. Somit sind die 'Wirkungsweisen' der Natur und
der Person
gegenläufig aber parallel. Diese Parallelität hat verschiedene
Facetten erlebt: bei
Heraklit, bei Aristoteles, im Demiurgen Platons, bis hin zur Naturphilosophie
Schellings und der Romantik. Sie ist der sachliche Grund dafür,
daß Natur
personifiziert (und in Folge dessen dämonisiert, mit Rechten und
Ansprüchen und
mit Ängsten 'aufgeladen') werden kann. Sie ist aber auch eine
logische Bedingung
dafür, daß Natur als Begriff geeignet ist, die Welt ganzheitlich
zu erklären und
Mensch und Welt in Einklang zu bringen.
Prof. Dr. Paul Richard Blum
Peter Pazmany Universität Budapest
Philosophische Fakultät
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Ungarn
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Bedeutung der Gesellschaftsform für das subjektive Naturverständnis
Die untergeordnete Rolle, die die Natur als Bestandteil des Lebenszusammenhangs
in der bürgerlichen Epoche spielt, bezieht sich nicht nur auf
den gesellschaftlichen
Produktionsprozeß, sondern auch auf das subjektive Erleben. Folglich
scheint die
Tatsache, daß es einer besonderen begrifflichen Anstrengung bedarf,
die Natur
adäquat einzubeziehen, vordringlich einen Mangel in der Beziehung
des Menschen
zur Natur auszudrücken; in Wirklichkeit aber zeigt sich hierin
ein Mangel in seiner
Beziehung zur Gesellschaftlichkeit. Es geht um das Verhältnis
Individuum/Gesellschaft.
Die Natur fällt tendenziell heraus, weil die bürgerliche Gesellschaftlichkeit
etwas Wichtiges nicht erfüllt: aufgrund ihrer prinzipiellen Instabilität
(die mit der Vereinzelung des Subjekts korrespondiert) entlastet
sie den Menschen nicht von
den existentiellen Konstruktionsmühen. Sie ist verselbständigt.
Hierdurch wird ein Übermaß an subjektiven Strömungen auf die Objektbildung
konzentriert, auf eine
fortwährende Gestaltung einer tragfähigen Objektivität (unter
anderem ablesbar an
der Fixierung auf das dominante ökonomische System, auf technisch-materielle
Dinge, auf Konsumgüter). Das heißt, obwohl diese Kraftbündelung
eigentlich der
subjektiven Entlastung gilt, also gerade dem Freiwerden des (¥¥¥ein
Wort nicht
lesbar!
subjekts von der objektiven Gesellschaftlichkeit, dem
Gewinnen von
Spielräumen für die Lebensentfaltung, für die Ausnutzung von revolutionärer
Vielfalt,
etc., wird in einer spiralförmigen Bewegung das Gegenteil erreicht:
nämlich die
Pervertierung der Eigenbeweglichkeit des Lebewesens zur objekt-analogen
Selbststrukturierung. Auf diese Weise wird nicht nur die äußere
Welt geradezu
sprichwörtlich verbaut, sondern auch die innere. Dies bedingt,
daß das Anderweitige
in den Intentionen unterbelichtet bleibt, sei es die Körperlichkeit
und geheimnisvolle
Innerlichkeit des Menschen oder sei es die äußere Natur.
Diese grundlegende Instabilität der Gesellschaftsform ruft wiederum
eine andere
Handlungstypik hervor. Die Verallgemeinerungsströmung als verschobene,
ideelle
Integrationsform, die das Haltlose der Epoche zu fassen sucht.
Hieraus erklärt sich
die Übergewichtung einer reduktionistischen (auf das Allgemeinste
ausgerichteten)
Blickrichtung in den führenden Naturwissenschaften, mit der Folge,
daß das
Erkannte der Natur zu einem Großteil in den realerlebbaren Lebensverhältnisse
nicht wiederankommt - trotz der Verknüpfung von Wissenschafts-,
Technik- und
Arbeitsentwicklung in der Neuzeit. Dies bestärkt jene Abtrennung
der anderweitigen
Natur vom ausschlaggebenden Verhältnis Individuum/Gesellschaft.
(In der heutigen
Komplexitätsforschung deutet sich der Umbruch auf seiten der Wissenschaften
an).
Die genannten Dimensionen sind Ausdruck einer männlich bestimmten
Lebensweise.
Aber dies verstehe ich nicht im Sinne einer maßgeblichen Herrschaftsbeziehung
zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht, also gewissermaßen
einer negativen Verdichtung der Bezugnahme, sondern eher entgegengesetzt
im
Sinne einer übermäßigen Konzentration des männlichen Geschlechts
auf sich selbst
- auf die Resultate, die sich, etwas überspitzt gesagt, einer
Nichtbezugnahme des
Männlichen auf das Weibliche verdanken.
Vgl. Hierzu meine Schriften:
Die Urbeweglichkeit des Menschen. Wo sich Gesellschaftstheorie,
Gehirnforschung und Geschlechtertheorie berühren. Band 13 der
Berliner Studien
zur Wissenschaftsphilosophie & Humanontogenetik, Schriftenreihe
der Humboldt-
Universität Berlin. Bielefeld, derzeit im Druck.
Überlebensprinzip Spannungsaufnahme. Modernes Handlungssubjekt
und
Geschlechterverhältnis. Frankfurt/New York, 1993.
Prof. Dr. Hildegard Heise
Mommsenstraße 20
D-10629 Berlin, BRD
AK5, Ilse Dröge-Modelmog
Natur als Streitobjekt
Unser Alltag ist von Technik, Technologien und Wissenschaft kulturell
geformt und
durchdrungen. Dadurch werden auch Versionen von und Visionen über
"Natur"
vermittelt, für die im wesentlichen immer noch Männer zuständig
sein wollen. Unnötig zu betonen, welche diskursive und symbolische
Macht sich damit verbindet, die
zudem institutionell absichert ist. In dem gegenwärtigen Naturverständnis
hat sich ein Wandel herauskristallisiert: Während bislang Frauen
in der Moderne mit "Natur" identifiziert wurden, wollen nun Männer
für künstliche Natur zuständig sein, wie sie beispielsweise durch
Gentechnologie produziert wird und längst Eingang in den Alltag
gefunden hat.
Obwohl Frauen kaum solche (visionären) Einflußmöglichkeiten auf
Lebensprozesse haben, verwalten sie in ihrem Alltag gleichwohl
auch "Natur". Damit sind drei
Problemfelder angesprochen. Die Alltagsdiskussion soll erstens
in Verbindung mit
kultureller Natur diskutiert werden, was bislang zum Beispiel
in der Soziologie nicht
der Fall war. Vielmehr gilt Kultur an Zeichen der Überwindung
von Natur. Natur und
kultureller Alltag werden als Opposition verstanden, nicht aber
in ihrer Relation
analysiert. Da Frauen Umgang mit "Natur" im Alltag haben, verfügen
sie auch über
wichtige Kompetenzen, die Eingang in Planungen und Entwürfe von
"Natur" haben sollten.
Zweitens, so meine Behauptung, ist "Natur" gegenwärtig ein neuer
Schauplatz von
Geschlechterauseinandersetzungen, denn es geht um neue Positionszuweisungen
zur Verwaltung oder Weiterentwicklung von künstlicher Natur, aber
auch um die
Definitionsmacht von "Natur".
Drittens erhebt sich die Frage nach einer neuen Natur-Ästhetik,
anders gesagt, um
die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Ästhetik-Konzepten, die
insbesondere
von Wissenschaftlern vorliegen. Solche Theorien lassen Eingriffe
in menschliche
"Natur" zum, zum Beispiel mit der Produktion "schöner" Menschen
oder von Geschlechtsbestimmungen.
Gefragt werden soll zudem nach Naturkonzepten von WissenschaftlerInnen,
die einen anderen Weg aufzeigen: z.B. Jeanne Hersch oder Ute Guzzoni.
Prof. Dr. Ilse Dröge-Modelmog
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Inst.für Soziologie und Sozialforschung
Postfach 2503
D-26111 Oldenburg, BRD
Tel. +49/441/798/2660
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