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RLI - Verein


Entstehungsgeschichte

In der Idee eines interdisziplinären feministischen Vereins und Frauenforschungs- und Bildungsinstituts, speziell mit den oben genannten Schwerpunkten, vereinigen sich mehrere zeitgeschichtliche, gesellschaftliche, philosophisch-sozialwissenschaftliche Strömungen und Linien, die Geschichte der Frauenbewegung in Naturwissenschaften und Technik sowie die seit den 70er Jahren (mit der ersten sogenannten UNO-"Dekade der Frau") von Frauen lauter erhobenen Forderungen in Hinsicht auf die mit Geschlechter-Blindheit verbundenen Defizite und grundsätzlichen Probleme der im Gefolge der Entkolonialisierung (oder mit ihr) entstandenen "Entwicklungs"politik. Die Idee eines außeruniversitären feministischen Forschungsinstitutes knüpft an die Ideen der sogenannten "Kritischen Theorie" mit ihrem Frankfurter "Institut für Sozialforschung" an(13) , will aber deren Defizite in Hinsicht auf die Geschlechterfrage und bezüglich Naturwissenschaften und Technik (denen sie in ihrer Kritik recht äußerlich blieb) nicht nur vermeiden, sondern diese Themen zum Schwerpunkt der Auseinandersetzung machen. Hintergrund dieser Verknüpfung bilden weiter die Erfahrungen und Ansätze von Frauen in Naturwissenschaften und Technik, die sich in der BRD seit 1977 zunächst einhalbjährlich, dann jährlich zu Erfahrungsaustausch und Diskussion getroffen haben; feministische Naturwissenschafts- und Technik-Kritik war hierbei immer wichtiger geworden und die Notwendigkeit eines entsprechenden eigenen Forschungsinstitutes ebenfalls schon diskutiert worden. In Österreich zum ersten Mal im Rahmen der autonomen Frauenbewegung vorgestellt wurde die Idee von Verein und Institut von mir(14) , die ich die Naturwissenschaftlerinnenbewegung in der BRD und in Österreich wesentlich mit aufgebaut habe(15) , bei der Frauen-Sommeruniversität 1990 in Wien, und es wurde daraufhin eine Arbeitsgruppe von Frauen aus Naturwissenschaften und Technik gebildet. Im Rahmen dieser Gruppe, die sich später "feminate" (Arbeitskreis Feministische Naturwissenschaft und Technik) nannte, wurden die Notwendigkeit und die Problematik der juristischen Form "Verein"einer Vereinsgründung als organisatorischem Rahmen für die geplanten Aktivitäten, die Ziele und die Satzung eines solchen Vereins, die zu vermeidenden Tendenzen (Vereinsmeierei), die wünschenswerten Selbstorganisationsformen (keine Hierarchien!) und insbesondere das von mir vorgeschlagene Konzept und mittelfristige Arbeitsprogramm für das Frauenforschungsinstitut (RLI)(16) , aus dem einige Vorhaben inzwischen bereits verwirklicht worden sind (siehe oben), ausführlich diskutiert. Zu dieser Arbeitsgruppe stießen weitere Frauen, die aus den Sozial- und Geisteswissenschaften kamen und am Bereich "Frauen und 'Dritte' Welt, aber auch an interdisziplinärer Kommunikation und an Frauenforschung und Feminismus überhaupt interessiert waren. Schließlich wurde der Verein für Interdisziplinäre Forschung und Praxis im Februar 1991 als eigenständige Vereinigung ins Leben gerufen und formell gegründet. Dies gleichfalls mit der weiteren Zielsetzung der Stärkung, der Förderung und der lokalen, regionalen und internationalen Vernetzung der feministisch orientierten Frauenforschung in Österreich. Wie hoch die Erwartungen und Bedürfnisse hiernach damals waren, läßt sich daraus ersehen, daß die Zahl der Vereinsmitglieder aufgrund nur einer einzigen Informationskampagne in den ersten 1 1/2 Jahren auf etwa das fünffache anstieg(17) . Später bildeten Mitglieder dieses Vereins und der "feminate" sowie weitere einzelne Frauen die eigenständige Arbeitsgruppe bzw. den Verein "Anakonga" und richteten den ersten österreichischen Kongreß von Frauen in Naturwissenschaften und Technik aus. Es hatte sich bald herausgestellt, daß bei den berufstätigen Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen das Bedürfnis nach Austausch, Reflexion und gegenseitiger Stärkung in Hinsicht auf die persönliche berufliche Arbeitssituation bei weitem stärker war, als das Bedürfnis (oder die Möglichkeit), sich zeitintensiv an einem Frauenforschungsinstitut zu beteiligen, was außerdem mit den "normalen" beruflichen Anforderungen in diesen Arbeitsfeldern (extreme zeitliche Belastung) kaum vereinbar ist; viele der Frauen wollten in ihrem institutionalisierten naturwissenschaftlich-technischen Beruf bleiben und sich dort besser durchsetzen (und nicht etwa "umsteigen", zum Hintergrund siehe unten). Gleichwohl war diese erste Phase eine Zeit, die von sehr viel Euphorie und von einer relativ großen Gruppe von Frauen getragen war, die zu regelmäßigen Plenumstreffen zusammenkamen. Als die Planungen sich im zweiten. Jahr in konkrete Projekte wandelten, machte sich allerdings eine gewisse Konsumentinnenhaltung breit und die meiste Arbeit blieb an sehr wenigen Frauen (zeitweise sogar an nur einer), hängen; es gab weniger allgemeine Rundbriefe und Treffen, diese allerdings zumeist mit Vorträgen verbunden, die auch Gästen von außen offenstanden und gut besucht waren. Einen qualitativen "Spung nach vorn" und damit eine rapide Verbesserung der schwierigen Alltagssituation brachte dann vor im Sommer 1993 die Veröffentlichung des zweiten (mehr als 600 Seiten starken) Bandes unserer Dokumentation/Bibliographie "Frauenforschung International" zu Afrika, denn sie ergab die sehr konstruktive und erfreuliche Mitarbeit und Kooperation des Vereins "Frauensolidarität" und des ÖIE bzw. seiner Schulstelle "Baobab" bei einem weiteren (noch nicht erschienenen) Band dieser Dokumentation. Die derzeitige alltägliche Arbeit für Verein und Institut wird geteilt zwischen fünf bis zehn Personen, wobei noch immer zu viel Arbeit ohne oder für zu wenig Entgelt geleistet wird.

Zur Namensgebung
Warum wir bei unserer Vereinsgründung die Worte "Frau/enforschung" oder "feministisch" nicht in unseren Namen aufgenommen haben, sind wir schon oft gefragt worden; es ist insbesondere auch dem Ministerium des Inneren aufgefallen (es hatte im formellen Verfahren der Vereinsgründung eine Stellungnahme abzugeben), daß es sich sich doch wohl um einen Frauen-Verein handele. Dies müsse dann also auch im Namen dieses Vereins zum Ausdruck kommen, so hatte die Anregung der zuständigen Beamten gelautet. Da wir aber der Meinung sind, daß es eine Selbstverständlichkeit ist, daß Forschung (und Praxis) von Frauen und für Frauen betrieben wird, muß dies auch nicht eigens betont werden und wir haben darauf verzichtet; es heißen ja z.B. die österreichischen technischen Universitäten auch nicht jeweils "Technische Universität xy für Männer", obwohl sie de facto Universitäten für Männer sind. Wenn alle Institutionen, in denen Männer zu mehr als 50% die Entscheidungspositionen besetzt halten, dazu verpflichtet würden, dies in ihrem Namen mit dem Zusatz "für Männer" kenntlich zu machen, dann müßte es z.B. heißen "Technische Universität Wien für Männer", "Bundeskanzleramt für Männer", "Männer-Kammer für Arbeiter und Angestellte", "Männer-Bundesamt für Museumsverwaltung", "Österreichischer Rundfunk für Männer", usw. - dies aber verlangt niemand. Allerdings haben leider auch manche Frauen Identifikationsprobleme mit unserem Namen - sollte eine Generalversammlung daher zu dem Schluß kommen, wir sollten besser z.B. "Verein feministische Wissenschaft Österreich" heißen, dann kann dies durchaus noch entsprechend geändert werden.
Was den Namen des Frauenforschungsinstituts - Rosa Luxemburg Institut - angeht, so ist auch dieser Name nicht unumstritten, war aber derjenige, der die Mehrheit aller Stimmen erhielt. Der Name Rosa Luxemburg repräsentiert ein Konzept von Wissenschaft, das sich sozialer Verantwortung verpflichtet weiß; sie steht mit ihrer Imperialismustheorie für eine kritische Analyse der Gründe für die sogenannte "Unterentwicklung" der Länder der "Dritten" Welt, an die im sogenannten "Bielefelder Ansatz" der feministischen Debatte der 80er jahre wieder angeknüpft wurde; sie hatte eigentlich Naturwissenschaften studieren wollen und blieb bis an ihr Lebensende eine begeisterte Botanikerin - so daß also alle unsere Schwerpunkt-Arbeitsbereiche innerlich etwas mit ihr zu tun haben.

Warum ein außeruniversitäres Institut?
Auch dies sind wir schon oft gefragt worden. Und auch diese Idee ist unter Frauen nicht unumstritten. So hielt das Frauenministerium die Einrichtung einer Gastprofessur für Frauenforschung, also die Integration in eine bestehende (etablierte) Institution zumindest bislang für den richtigeren Weg, obwohl Gastprofessuren vorwiegend Lehrtätigkeit und weniger Forschungstätigkeit beinhalten. Und Frauen der Universität Wien zogen die Einrichtung einer Koordinationsstelle für Frauenforschung (die sie inzwischen durchsetzen konnten) der Einrichtung eines universitären (Zentral-)Instituts für Frauenforschung vor, damit nicht alle anderen Institute die Frauenforschung darauf abschieben und sich die Hände in Untätigkeit waschen könnten - womit sie unseres Erachtens auch recht haben, aber dies Argument trifft eben nicht die Frage der Einrichtung eines außeruniversitären Instituts, im Gegenteil. Wir gehen davon aus, daß frauenbezogene neue Inhalte, neue Methoden, neue Ziele und Problemzugänge besser in anderen als in den herkömmlichen und auf männliche Lebenszusammenhänge bezogenen Arbeitszusammenhängen und Organisationsfomen entwickelt werden können, wobei wir nur die Ergebnisse und Fragestellungen unserer Wissenschaftsanalyse auch auf uns selbst anwenden. Dies gilt besonders für unsere ersten zwei Schwerpunkte, die innerhalb der Frauenforschung sonst eher ein Mauerblümchendasein spielen (müßten). Der Bereich feministische Naturwissenschafts- und Technikkritik ist außerdem aus vielen Gründen innerhalb der Institution Universität, d.h. innerhalb von naturwissenschaftlich-technischen Fakultäten, unter den gegenwärtigen Umständen nicht etablierbar (einige Gründe siehe unten), allenfalls hie und da ein Lehrauftrag (immerhin!) ist möglich.

Quadraturen des Kreises

Der Versuch, ein außeruniversitäres Frauenforschungs- und Bildungs-Institut aufzubauen, kommt einer mehrfachen Quadratur des Kreises gleich. Denn in einem solchen Versuch kulminieren die besonderen Aufbau- und Dauerprobleme gleich dreier - zwar jeweils unterschiedlicher, gleichwohl aber ähnlich prekärer - Unternehmungen, deren problematische Charakteristika sich durch ihre Verbindung miteinander keineswegs herauskürzen, sondern sich im Gegenteil noch wechselseitig zu einer Spirale (von Quadraturen des Kreises) verstärken können: die der außeruniversitären Forschung(18) , die der autonomen Frauenprojekte/Frauenbewegung(19) und die der gemeinnützigen Vereine(20) . Die Verbindung dieser drei Formen ist für unsere Initiative aber gerade charakteristisch, so daß auch die damit verknüpften Schwierigkeiten zu lösen sind. Die Ebenen, in denen sich diese zeigen, können materieller, personeller, inhaltlicher, politischer und banaler Art sein. Ich will hier nur einige wenige dieser jeweils miteinander verknüpften Aspekte exemplarisch anführen und zusammenfassen:
? Außeruniversitäre Forschung steht vor gänzlich anderen Ausgangs- und Existenzbedingungen als die etablierte Wissenschaft an Universitäten, Bundesforschungsanstalten oder anderen etablierten wissenschaftlichen Einrichtungen. Zu den Charakteristika dieser Situation gehören unter anderen: Legitimationsdruck (nicht nur Projekte müssen begründet, sondern auch die eigene Existenzberechtigung muß ständig neu bewiesen werden), unsichere Zukunftsaussichten (bei nicht vorhandener Dauerfinanzierung) und Erfolgszwang (kein Erfolg - keine Aufträge). Die immer wieder prekäre finanzielle Unsicherheit und die Notwendigkeit, eine auch nur minimale materielle Infrastruktur erst schaffen zu müssen, anstatt auf sie zurückgreifen zu können, führt zu Arbeitsbedingungen, die in völligem Widerspruch stehen zu den heutigen Mindestvoraussetzungen jeder forschenden Tätigkeit, auch und gerade dann, wenn sie unkonventionell bzw. "praxisorientiert" ist. Denn diese kann - soll sie ernsthaft sein - eben nicht so mal schnell am Feierabend erledigt werden, sondern erfordert nicht nur viel zeitliches, sondern auch längerfristiges und verbindliches Engagement also Professionalisierung. Paradoxerweise messen Förderungsinstitutionen und auch viele "AbnehmerInnen" bestimmte Leistungen außeruniversitär arbeitender WissenschaftlerInnen dennoch nach universitärem (hier falschem, weil unangemessenem) Maß. Wie hoch ist beispielsweise das Honorar für einen wissenschaftlichen Aufsatz, an dem ein/e außeruniversitäre WissenschaftlerIn ("frei"beruflich) zwei Monate lang gearbeitet hat? Ganze 0,00 ÖS bzw. DM, wie mir einmal ein Fachverlag unverblümt schrieb. Denn es wird bei uns wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß mensch ohnehin über ein (universitäres) Gehalt verfügt und daher keines schnöden Mammons bedarf - daß es vielmehr reine "Ehre" ist, publizieren zu "dürfen" (daß den SetzerInnen und DruckerInnen, die das Werk nachher weiterbearbeiten, Honorar oder Gehalt zustehen, zweifelt hingegen niemand an, und es fällt dieser Widerspruch auch kaum jemandem/r auf). Mensch läuft daher immer Gefahr, sich - ggf. auch auf Dauer - sehr unbeliebt zu machen, wenn sie oder er das ihr oder ihm zustehende Honorar auch verlangt (wobei womöglich eine zur Texterstellung mit herangezogene Schreibkraft auch noch aus eigener Tasche gezahlt werden muß, ohne daß diese Kosten ersetzt würden). Daß dies auch bei feministischen Redaktionen, Gruppen und Herausgeberinnen häufig so ist, macht die Situation weder einfacher noch erfreulicher. Die verweigerte finanzielle Honorierung hat beispielsweise bei mir dazu geführt, daß mehr ("freiberuflich", d.h. unbezahlt zu erbringende) Angebote bzw. Aufforderungen für Aufsätze und Bücher einlangen, als von der zur Verfügung stehenden Zeit her überhaupt verfaßbar sind (die Klagen mancher festgestellter universitärer Wissenchaftlerinnen über mangelnde Publikationsmöglichkeiten kann ich nicht nachvollziehen).
? Frau lädt sich mit dem Versuch, ein autonomes Frauenforschungs- und Bildungs-Institut aufzubauen, zusätzlich noch alle Probleme auf, die auch für andere Frauenprojekte oder für die Frauenbewegung allgemein charakteristisch sind, wie zum Beispiel die ständige Überforderung, die aus dem Widerspruch zwischen den eigenen hohen Ansprüchen und dem Fehlen oder gar gänzlichen Mangel der materiellen Ressourcen entsteht, die für die Erfüllung dieser Aufgaben notwendig sind; den Widerspruch zwischen erwünschter und/oder praktizierter Professionalität und gesellschaftlich erzwungenem "ehrenamtlichen" Freizeit-Feminismus (projektintern oft verquickt mit dem Widerspruch zwischen unbezahlter und bezahlter Arbeit); schließlich die Problematik informeller Hierarchien und nicht (ausreichend) thematisierter latenter Machtkämpfe bei/trotz/wegen des allseitigen Wunsches nach harmonievoller Schwesterlichkeit und Gleichheit innerhalb des Vereins/-Projekts oder im Verhältnis zu Schwestervereinen, etc. etc. Im Vergleich mit anderen Frauenprojekten stehen wir auch hier vor einigen spezifischen Erschwernissen. So z.B. vor dem (nur scheinbar banalen) Problem, daß für die Mitarbeit bei uns in den meisten Fällen vorher erworbene hohe und Höchstqualifikationen bzw. Spezialkenntnisse nötig sind, so daß nicht "jedefrau" einfach so einsteigen kann (und ohne abgesicherte Zukunftsperspektive auch nicht will) - und eine unbezahlte Zusatzausbildung aller Interessentinnen von uns weder personell noch finanziell geleistet werden kann; von den ausreichend hoch qualifizierten Frauen sind wiederum nur die wenigsten bereit, die für Frauenforschungs-Projekte aufgrund der Rahmenbedingungen im allgemeinen notwendige (mehrmonatige) unbezahlte Vorarbeit zu leisten und/oder die Anstrengungen immer wieder ungesicherter Projektarbeit auf sich zu nehmen(21) . Gerade die jüngeren erwarten sich (verständlicherweise) zunächst einmal einen sicheren, gut bezahlten (gleichzeitig höchst interessanten) Arbeitsplatz und sehen oft nicht, welchen Aufwand es bedeutet, auch nur die minimalen Vorausetzungen dafür zu schaffen. Die Antwort einer frisch gebackenen Akademikerin mit Examens-Schwerpunkt Frauenforschung auf die Frage nach ihren Berufsperspektiven mag dies illustrieren: "Ich suche eine gut bezahlten und total interessanten (= feministischen, M.M.) Job mit ausschließlicher Eigenverantwortung - natürlich abgesichert." Feministische Projekte sollen also nicht nur mindestens so gut bezahlt werden wie in der Privatwirtschaft, sondern auch noch konzeptuell fertig und bereits bewilligt - sozusagen auf dem Silbertablett - angeboten werden, so daß sich frau nicht abmühen muß, sondern ihre interessante Arbeit genießen kann - daß dies unter den derzeitigen Rahmenbedingungen zwar für den patriarchalen mainstream der "harten" Richtungen der Wirtschafts-, Natur- und Technikwissenschaften realistisch ist, aber in der feministischen Forschung eben gerade nicht, scheint nur der älteren Generation der Frauenforschungs-Pionierinnen noch von vorneherein klar zu sein. Ist dennoch eine motivierte und qualifizierte Mitstreiterin schließlich gefunden, so ist auch dies noch keine Garantie für das Gelingen eines Projekts: unser zum herkömmlichen Wissenschaftsverständnis konträrer Ansatz stellt hohe Anforderungen an die Fähigkeiten zu interdisziplinärer Kommnikation und Kooperation, welche im allgemeinen nirgendwo vorher gelernt werden - selbst bei günstigeren Bedingungen, d.h. in materiell abgesicherten nicht-feministischen interdisziplinär arbeitenden Institutonen, besteht diesbezüglich zumeist keine zufriedenstellende Sprach-, Kommunikations- und Kooperationssituation(22) ; bislang konnten wir dies Problem allerdings weitgehend meistern. - In Hinblick auf feministische Vernetzung besteht eine spezielle Gefahr, die aus der BRD bekannt ist in bezug auf den Arbeitsbereich "Naturwissenschaften/Technik": er könnte gerade bei frauenbewegten Frauen auf Unverständnis bis Ablehnung stossen, da viele diese Bereiche wegen ihrer gesellschaftlichen Mächtigkeit und ihrer Auswirkungen auf die Natur(-Zerstörung) für prinzipiell (und unheilbar?) patriarchal halten - und damit auch die Frauen für gewissermassen "patriarchal verseucht", die darin noch etwas Interessantes oder gar etwas Faszinierendes sehen. (Dies hält nicht davon ab, sich bei Problemen mit elektrischen Anlagen, Computern, Motorrädern, Pflanzenkrankheiten oder Hormontests vertrauensvoll an die so böse Verblendeten zu wenden....) Zum Glück hatten wir in Österreich mit diesem Problem noch nicht zu kämpfen und haben in diesem Aspekt eher positive Erfahrungen gemacht.
? Die spezielle Organisationsform "Verein" bringt zwar die bekannten Vorteile eher möglicher Finanzierungsanträge mit sich, dafür aber auch spezielle Probleme, und zwar insbesondere dann, wenn sie im Rahmen der Frauenbewegung eingesetzt wird. Denn sie steht als institutionalisierte Rechtsform in völligem Widerspruch zum Anspruch der (neueren, autonomen) Frauenbewegung auf spontane, absolut nichthierarchische und eben gerade nicht institutionalisierte Organisationsformen. Sollen die nach dem Vereinsgesetz vorgeschriebenen Funktionen daher nur "formal" besetzt werden und je verschiedene Frauen die jeweilig anstehenden Aufgaben übernehmen oder sollen die Vorstandsfrauen tatsächlich zu allen (zeitaufwendigen) Arbeiten verpflichtet werden und so die im Vereinsgesetz vorgesehene Hierarchie etabliert werden? Was bedeutet dies wiederum für Zusammenhalt und Kooperation untereinander? Welche organisatorischen Probleme ergeben sich hieraus? Um die so unterschiedlichen Frauen mit ihren verschiedenartigen Interessen und Wünschen, die einen Verein bilden,unter einen Hut zu bringen braucht es mindestens eine (oder besser mehrere) Vereins-rau(en), die kontinuierlich die notwendige Integrations-, Kommunikations- und Koordinationsarbeit leistet(n), also auch das Vereinsbüro kontinuierlich betreut(en). Dies kann nur mehr schwer ausschließlich ehrenamtlich geleistet werden. Und wenn die Vereinsform für die Mitgliedsfrauen de facto, im Gegensatz z.B. zu einem Arbeitsverhältnis, einen völlig unverbindlichen Charakter hat, da Frau jederzeit austreten oder für ihre "Freizeit" andere Prioritäten setzen kann, kann dies die Kontinuität und Durchsetzungsfähigkeit des gemeinschaftlichen Engagements nicht auch sehr behindern? Ist dauerndes, verbindliches und zeitaufwendiges feministisches Engagement unter diesen heutigen Umständen von vielen zu erwarten? Gerade diejenigen Frauen, die für die Frauenbewegung (und speziell für Initiativen wie unsere) besonders wichtig sind, stehen in einer Lebensphase, in der sie kräfte- und zeitmäßig besonders in Anspruch genommen werden durch Examensphase, Familienverpflichtungen, Berufseinstieg und -aufbau. Erschwerend könnte auch sein, daß der "Zeitgeist" des Individualismus, des sich-ins-Private-Zurückziehens und des Hedonismus auch an der Frauenbewegung nicht spurlos vorübergegangen zu sein scheint ("wenn ich gerade mal Lust habe, dann mache ich auch mal was in der Frauenbewegung..."). Und ist es noch von vorneherein klar, was uns als Feministinnen miteinander verbindet und damit motiviert und stärkt? Anders, als dies in den 70er Jahren in Bezug auf die Abtreibungsparagraphen der Fall war, gibt es derzeit keine alle Frauen vereinigenden aktuellen gemeinsamen Ziele, Themen oder konkret ausmachbaren Feinde und daher eine gewisse allgemeine Orientierungslosigkeit. Eine inhaltliche gemeinsame Orientierung für alle Beteiligten zu finden, bleibt daher für die ganze Frauenbewegung wie auch auch für unseren Verein eine aktuelle Herausforderung und eine Bedingung für die weitere Arbeit. Die Freiräume, die wir trotz allem in dieser Gesellschaft haben (nicht zuletzt aufgrund der von unseren Vorgängerinnen erkämpften formalen Rechte) sind jedenfalls noch lange nicht ausgeschöpft. Mit den Qualifikationen, die wir zur Verfügung haben, könnten wir noch viel mehr erreichen als schon erreicht ist - vorausgesetzt, wir bauen die Angst vor (den ach so phallokratischen Notwendigkeiten) Strategie und Taktik ab, organisieren uns besser, setzen unsere power auch ein...

Wie sich die Schwierigkeiten der genannten drei Organisationsformen wechselseitig verstärken und miteinander vermengen, kommt in Hinsicht auf unseren Verein insbesondere in dem Versuch zum Ausdruck, eine Grundfinanzierung für das Frauenforschungsinstitut zu finden, die für dessen längerfristige Fortführung unabdingbar ist, aber schon für jede einzelne der drei oben genannten "Betriebsformen" ausreichend große Probleme beinhaltet.

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Anmerkungen

  1. Vgl. u.a. Max Horkheimer: Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung, in: Ders.: Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/M. 1972, S. 33ff.; Martin Jay: Dialektische Phantasie. Die Geschichte der Frankfurter Schule und des Instituts für Sozialforschung 1923-1950, Frankfurt/M. 1973; Alfred Schmidt: Zur Idee der kritischen Theorie, München 1976; Wolfgang Bonß/Axel Honneth (Hg.): Sozialforschung als Kritik, Frankfurt/M. 1982; Willem van Reijen: Philosophie als Kritik, Königstein/Ts. 1984; Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule, München 1986; Christine Kulke (Hg.): Rationalität und sinnliche Vernunft. Frauen in der patriarchalen Realität, Berlin (publica) 1985; Regina Becker-Schmidt: Identitätslogik und Gewalt - Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Feminismus, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis 24, Köln 1989, S. 51-64.; Christine Kulke/Elvira Scheich (Hg.): Zwielicht der Vernunft. Die Dialektik der Aufklärung aus der Sicht von Frauen, Pfaffenweiler (Centaurus, Feministische Theorie und Politik Band 7) 1992.
  2. Die Idee eines kritischen Instituts für interdisziplinäre Forschung hatte ich schon mehr als ein Jahrzehnt lang mit mir herumgetragen; Erfahrungen in der SchülerInnen- und StudentInnenbewegung der BRD und ein Philosophiestudium zusätzlich zur naturwissenschaftlichen Ausbildung bildeten hierfür den persönlichen Hintergrund.
  3. Beispielsweise habe ich 1982 zusammen mit der NAWI-Fakultätsvertretung der Universität Wien eine Brochschüre über Frauen in Naturwissenschaften und Technik herausgegeben, die zu einem Grundlagentext für die Bewegung wurde (ebenso wie eine weitere Broschüre von 1987 und ein Buch zur feministischen Naturwissenschafts- und Technikkritik von 1989).
  4. Das Rosa-Luxemburg-Institut (RLI) war bereits im November 1990, zunächst als ein-Frau-Betrieb, gegündet worden.
  5. Viele von ihnen wurden dann leider aus Gründen mehrfacher Belastungen - u.a. durch Familie, Beruf, andere politische Aktivitäten - zu sogenannten "Karteileichen", die sich zwar an den ihnen zugesandten Rundbriefen erfreuen, aber aktiv wenig bis nichts zu den Vereinstätigkeiten beitragen.
  6. Vgl. z.B. Frank Hartmann (Hg.): Standort und Perspektiven außeruniversitärer Sozialforschung, Wien (Forum Sozialforschung) 1993.
  7. Vgl. z.B. Feminis-muß. beiträge zur feministischen theorie und praxis 35, Köln 1993; Arbeitskreis Autonomer Frauenprojekte (Hg.): 20 Jahre und (k)ein bißchen weiser? Bilanz und Perspektiven der Frauenprojektebewegung. Dokumentation eines Kongresses 6. bis 8. Dezember 1991 in Berlin, hg. von der Stiftung Mitarbeit, Bonn (Brennpunkt-Dokumentation Nr. 18) 1992; BMAS. Abteilung für grundsätzliche Angelegenheiten der Frauen: Weiterbildungsseminare für die Frauenprojektarbeit. Anregungen und Informationen gesammelt von Doris Pleiger und Christine Spitzy, Wien (Gleichbehandlung ist das Ziel, Heft Nr. 18), Februar 1990; BMAS-Frauenreferat: Vernetzung von Fraueninitiativen. Eine Tagungsdokumentation, Wien (Gleichbehandlung ist das Ziel, Heft Nr. 14), ohne Jahr (wahrscheinlich 1988 oder 1989); BMAS-Frauenreferat: Fraueninitiativen - selbst dargestellt, Wien (Gleichbehandlung ist das Ziel, Heft Nr. 12), Dezember 1987.
  8. Die hier angesprochenen Aspekte sind als exemplarische Auswahl aus einer langen Liste an entsprechenden Problemen zu verstehen; vgl. dazu z.B. die in den Anm. 17 und 18 angegebene Literatur.
  9. Ich sehe hier davon ab, daß zumindest in Österreich für die Durchführung eines einzelnen Projektes die Einbindung in einen Frauenforschungs-Verein nicht unbedingt erforderlich ist, weil jede Akademikerin auch als Einzelperson einen entsprechenden Antrag einreichen kann; der Verein ist aber für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Frauenforschung und auch für unabhängige Beratungstätigkeit erforderlich.
  10. Vgl. z.B. den Bericht Thomas von Schells zur baden-württembergischen Akademie für Technikfolgenabschätzung, in: Kolloquium des AK Theoretische Arbeiten in der Biologie, Freiburg/Br., September 1993 (Protokoll).


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