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Grundfinanzierung als Grundproblem
Das Problem, eine Grundfinanzierung und damit auch mehrere ausreichend
große eigene Räume und eine minimale Arbeitsbasis zu finden, hat
sich bislang als Hauptschwierigkeit unserer Initiative erwiesen.
Es steht uns eben kein Zigarettenerbe zur Verfügung wie den HamburgerInnen,
der in ein kritisches Sozialforschungsinstitut(23) investiert? Durch den Verkauf der Publikationen kann nur ein
unbedeutender Teil ihrer Produktionskosten gedeckt werden; für
wissenschaftliche Bücher aus unseren Arbeitsschwerpunkten ist
der hiesige Markt zu klein, als daß aus dem Verkauf ein Überschuß
erzielt werden könnte. Unsere Aufbauphase wird dadurch erschwert,
daß wir zu einem Zeitpunkt angefangen haben, an dem die äußeren
Rahmenbedingungen sich gegenüber den vorherigen Jahren gravierend
verschlechtert haben .(24) Bislang sind auch unsere in Männerdomänen gut verdienenen Mitgliedsfrauen
nicht auf die Idee gekommen, etwa einen bestimmten Prozentsatz
ihres monatlichen Gehaltes für das Frauenforschungsinstitut zu
spenden, obwohl sie sehr an feministischer Naturwissenschafts-
und Technikkritik interessiert sind (vielen ist nicht bewußt,
wie groß die Finanzierungsprobleme sind - in ihren beruflichen
Bereichen sind diese weniger üblich). Von "normalen" sozialversicherten
Arbeitsverhältnissen können wir daher derzeit nur träumen. Dies
wirkt sich gravierend auf den (weitgehend ehrenamtlichen oder
gelegentlich schlecht abgegoltenen) Arbeitsalltag aus: Frau kommt
nicht zu dem, was sie als ihre eigentliche Aufgabe ansieht, da
ständig irgendwelche Anträge geschrieben, deswegen telefoniert
oder neue Geldquellen gefunden werden müssen, wobei das Ergebnis
in den meisten Fällen am genauesten so beschrieben werden kann,
daß es "zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel" ist. Die häufig
vorhandenen Undurchschaubarkeit von Vergabekriterien und manchmal
lange Bearbeitungszeiten in den Förderinstitutionen führen außerdem
dazu, daß keine zuverlässige mittel- und langfristige Planung
möglich ist und dies auf ihre Finanzierung wartende Mitarbeiterinnen
in schwierige Situationen bringt ,oder sie sich dann anders orientieren
müssen. Daß uns nur, wie manche wohlmeinende FreundInnen behaupten,
die richtige Lobby fehle, mag zwar vielleicht stimmen, hat aber tiefere Gründe.
Eine aus öffentlichen Mitteln bezahlte materielle und personelle
Grundausstattung ist auch bei Universitäten die Existenzbedingung
sine qua non (frau/man spiele einmal in Gedanken die Vorstellung
durch, alle österreichischen Hochschulen müßten sich frei finanzieren:
wie würden Forschung und Lehre dann wohl aussehen?). Eine Grundfinanzierung
zu finden, stellt in Österreich für alle außeruniversitären und nicht-institutionalisierten Forschungseinrichtungen
und gesellschaftlich innovativen Projekte ein schwer zu erreichendes
Ziel dar. Dieser Versuch wird für uns jedoch zusätzlich erschwert
gerade wegen der Eigenheit unseres konzeptionellen Ansatzes. Zum
einen fallen wir mit unserer inter- und transdisziplinären Konzeption
leicht durch alle Raster herkömmlicher Unterscheidungen hindurch,
die sich Forschungsförderungsinstitutionen und Ministerien zur
Aufteilung ihrer Zuständigkeiten geschaffen haben (dies gilt auch
für uns prinzipiell wohlgesonnene Institutionen bzw. Abteilungen).
Zum anderen verschärft unsere "Spezialisierung"(25) auf feministische Forschung die Lage. Im Vergleich zu anderen
außeruniversitären Einrichtungen, z.B. solchen in den Bereichen
Marktforschung, Statistik und EDV-Betriebsberatung, erweist sie
sich als nicht gerade kapitalträchtig, was angesichts des bekanntlich
niedrigen Status des Frau-Seins und insbesondere aufgrund des
widerständigen Charakters des autonomen Für-Frauen-Seins auch
nicht verwundert. Zum dritten können wir als Forscherinnen, die
außerdem noch den "harten Kern" der technisch-wissenschaftlichen
Zivilisation, nämlich Naturwissenschaften und Technik, konzeptionell
zu einem Schwerpunkt der (kritischen) Untersuchung gemacht haben,
schon von vorneherein nicht viel Unterstützung erwarten, sondern
müssen damit rechnen, besonders schwere Steine in den Weg gelegt
zu bekommen. Dies nicht nur wegen der mehrhundertjährigen patriarchalen
Wissenschaftsgeschichte mit ihrer 90-100%igen Quoten-Männerbesetzung
in den Führungsgremien der wissenschaftlichen Institutionen und
der damit verbundenen Tatsache, daß Wissenschaft weitgehend auf
(Frauen im Ergebnis ausschließender) Kooptierung beruht (dies
trifft auch die übrige Frauenforschung), sondern zusätzlich insbesondere
deswegen, weil es einen wissenschaftstheoretisch zwar leicht erklärbaren
und persönlich vielleicht sogar "versteh"baren, aber dennoch nicht
entschuldbaren Unwillen in den etablierten Natur- und Technikwissenschaften
gibt, sich kritisch unter die Lupe nehmen zu lassen; Frauenforschung
bedeutet aber immer auch Wissenschaftskritik (zumindest nach unserem
Verständnis; in Forschungen "über die Frau", die es zur Unterstützung
konservativer Familien- und Bevölkerungspolitik schon seit langem
gibt, liegt unser Interesse nicht). Im Gegensatz zur Frauenforschung
in den Sozial- und Geisteswissenschaften gilt die Frauenforschung
in Naturwissenschaften und Technik nicht als anerkannte originäre Thematik ihrer Disziplinen bzw. wird
sie nicht als Teilgebiet, sondern als zum (weniger attraktiven)
Meta-Bereich gehörig definiert, der als Wissenschafts- und Technikphilosophie,
-Soziologie und geschichte aus ihnen ausgegrenzt wird; diese Metagebiete
sind (u.a. aus diesem Grund) zumindest im deutschsprachigen Raum
schlecht etabliert und werden wenig gefördert, so daß auch die
Frauenforschung in diesen Gebieten nur wenig auf Förderungen hoffen
kann.
Wenn zuständige Fachabteilungen und Institutionen sich in patriarchalen
Traditionen üben und die Förderung feministischer Forschung und
Praxis - speziell unseres Konzeptes - ablehnen, wird allerdings
in anderer Weise argumentiert. Angeblich sind den einen die Themenstellungen
unseres Konzeptes wegen unser Schwerpunkte "zu speziell", während
sie den anderen ganz im Gegenteil als "zu breit und umfassend"
erscheinen ("als daß sie von einem kleinen außeruniversitären
Forschungsinstitut wirklich abgedeckt werden könnten" - wie wenn
wir etwas dagegen hätten, ein größeres Forschungsinstitut aufzumachen,
z.B. eines der Größenordnung, wie es in der BRD bereits seit einigen
Jahren existiert ) (27). Die Dritten befürchten "Überschneidungen mit anderen Forschungseinrichtungen"
oder gar eine "Duplizierung", obwohl gerade unsere Schwerpunkte
an keiner österreichischen Hochschulen angemessen vertreten sind
- es gibt z.B. keine entsprechend definierten Lehrstühle, sondern
alles ist vom sehr individuellen Einsatz einzelner Personen abhängig;
wenn es Überschneidungen mit anderen Einrichtungen gibt, dann
nur in Ausnahmefällen und sehr punktuell, aber nicht prinzipiell;
ein gleiches Institut mit demselben Konzept existiert in Österreich
nicht. Wobei noch zu fragen ist, wieso etwaige Überschneidungen
denn überhaupt einen Hinderungsgrund für die Finanzierung darstellen
sollten(28) , wenn es doch in anderen, etablierteren Gebieten nicht nur "Überschneidungen"
und sehr ähnlich definierte Einrichtungen oder Gebiete gibt, sondern
sogar solche, die nachgerade ident definiert wurden und trotzdem und selbstverständlich alle gefördert
werden, wie z.B. verschiedene Ordinariate an Universitäten (Philosophie,
Genetik, Algebra, Theoretische Physik etc.). Angesichts der grundlegenden
Bedeutung der Frauenforschung und der feministischen Perspektive
ist demgegenüber gerade zu fordern, daß es gleichzeitig mehrere
Einrichtungen hierfür geben sollte.
Absturzgefahr
Die Ausgrenzung (auch der feministischen) Naturwissenschafts- und Technikanalyse aus Naturwissenschaften und Technik bedeutet für das Verhältnis von Frauenforschung und "normaler" beruflicher wissenschaftlicher Tätigkeit für uns, im Unterschied zu anderen Frauenforschungsinitiativen: Während eine Soziologin, die Frauenforschung z.B. hinsichtlich der Erziehung oder der Sozialpolitik betreibt, dies als Soziologin tun und damit auch professionelle Meriten verdienen (z.B. ihre feministischen Arbeiten in ihren Publikationslisten nennen oder über ihre Ergebnisse bei soziologischen Fachkongressen berichten) kann, gilt eine Physikerin, die sich kritisch mit physikalischen Theorien oder dem verdrängten weiblichen Anteil der Naturwissenschaften und ihrer Geschichte befaßt, in Hinsicht auf diese Arbeit nicht mehr als Physikerin (sondern z.B. als Wissenschaftstheoretikerin oder -historikerin), und sie kann sich damit leicht ihre beruflichen Chancen als Physikerin verderben. Eine Biochemikerin kann analog die Ergebnisse ihrer skeptischen Bewertung der Gentechnologien zwar vor feministischen Arbeitskreisen, nicht aber bei biochemischen Fachkongressen vortragen, und wer die bereits vorgelegten erfolgreichen Ansätze von Frauen in den Biowissenschaften, verbunden mit feministischer Kritik, bearbeitet, wird zwar von den Frauenbeauftragten vieler Universitäten gerne angesprochen, aber nie von Biochemikern dazu eingeladen, diese bei einer Fachtagung zu präsentieren, obwohl diese Diskussion gerade dort besonders angebracht wäre. Der professionelle Umstieg in die Metabereiche stellt auch keinen einfachen Weg dar: wer sich, aus den Natur-wissenschaften oder Technik kommend, nach Zusatzqualifizierungen um sozialwissenschaftliche Stellen bewirbt, hat es gegenüber MitbewerberInnen mit sozialwissenschaftlichen Abschlüssen ziemlich schwer, weil Habitus, Denk- Sprech- und Darstellungsweisen - und daher auch die Kriterien dafür, was "gefällt" - sehr unterschiedlich und disziplinäre Prägungen immer vorhanden sind. Zu den inhaltlichen Paradoxa der oben geschilderten Situation gehört es hingegen zum einen, daß wir mit unserem Konzept gegenüber der etablierten Wissenschaft noch nicht einmal den radikalsten möglichen Standpunkt einnehmen ("rechts liegenlassen und sich anderem zuwenden"), denn wir sind immer noch an Wissenschaft interessiert, und zum anderen daß wir daher zwar gegen unseren Willen, aber unvermeidlich auch dann, wenn wir an alternativen Konzepten arbeiten, noch die Eierschalen westlicher männlicher Wissenschaft (ungelöste Grundprobleme) mit uns herumzuschleppen gezwungen sind. Dies stellt ein inhaltliches Problem dar, dem wir uns bislang aufgrund der äußeren Umstände noch kaum widmen konnten (z.B. wäre die Entwicklung einer neuen Sprache notwendig).
Fazit aus den beiden letzten Punkten: Es ist hinsichtlich unseres Arbeitsschwerpunktes "Naturwissenschaften/Technik/Medizin" im Vergleich zu anderen Spezialgebieten der Frauenforschung nicht nur schwieriger, an Förderungen heranzukommen, sondern es führt diese Tätigkeit uns auch sehr schnell in eine Gratwanderung zwischen beruflicher Tätigkeit und outsider-Existenz, die ein sehr hohes wissenschaftliches, persönliches und existentielles Risiko beinhaltet. Je stärker die Frauenbewegung ist und wird, desto mehr kann sich diese Situation allerdings verbessern.
Aussichten
Zwar sind wir nicht der Meinung, daß interdisziplinäre feministische
Forschung und Praxis der , einzige oder ausschließliche Weg für
jedes Problem ist (manche mögen durch andere Zugänge besser angehbar
sein), trotzdem kann ihr Beitrag - insbesondere die feministische
Auseinandersetzung mit Technik und Naturwissenschaft - angesichts
der real existierenden Männerherrschaft in der Form der sogenannten
"wissenschaftlich-technischen Zivilisation" doch kein geringer
sein und ohne feministische Perspektive und Ansätze sind Problemlösungen
in patirachalen Gesellschaften schon im Ansatz ungenügend. Daß
es innerhalb von drei Jahren nicht möglich sein würde, ein entsprechendes
feministisches Frauenforschungsinstitut aus dem Boden zu stampfen,
war bereits zu Beginn unserer Bemühungen anzunehmen. Andere Initiativen
haben für vergleichbare Projekte mehr als zehn Jahre benötigt.
Wir müssen uns auf einen langen Atem einstellen.
Immerhin haben wir trotz schwieriger Ausgangsbedingungen und mit
nur sehr geringen Mitteln in der kurzen Zeit von drei Jahren vergleichsweise
viel zustandegebracht (neben den oben genannten Publikationen
auch eine ganze Reihe von Veranstaltungen, von Beratungen und
Unterstützungen einzelner Frauen, anderer Frauengruppen und -initiativen)
und es mangelt uns auch nicht an Anerkennung dafür. Manche Frauen
empfinden unsere Erfahrungen für sich und ihre eigene Arbeit als
sehr ermutigend. Doch für uns selbst steht im Vordergrund: alle
noch so erfreuliche Anerkennung hat uns doch der notwendigen Grundfinanzierung
um keinen Schritt näher gebracht. Und so geht vorläufig unser
Weg als Gratwanderung weiter, nämlich als Gratwanderung u.a.
- zwischen dem hohen symbolischen Wert, den die Idee eines Vereins
und Instituts für feministische Forschung für viele Frauen hat
und den vergleichweise eingeschränkten Möglichkeiten vieler Frauen,
die notwendige (Aufbau-) Arbeit (ehrenamtlich oder ungenügend
bezahlt) zu tragen; sowie auch
- zwischen feministischer Solidarität und weiblicher Konkurrenz,
die innerhalb der Frauenbewegung und speziell in wissenschaftsnahen
Bereichen die Kooperation leicht behindern kann;
- zwischen dem Angewiesen-Sein auf GeldgeberInnen und dem Wunsch
nach Unabhängigkeit bzw. dem Willen, weder bewußt noch unbewußt
eine Schere im Kopf entstehen zu lassen, womit gerade der große
Vorteil einer außeruniversitären Institution (die geistige Freiheit)
wieder zunichte gemacht werden würde;
- zwischen der Einsicht in die Richtigkeit, Berechtigung und Notwendigkeit
unserer feministischen Ideen, Anliegen, Konzepte und Forderungen,
und dem Zweifel, ob es nicht individuell/ persönlich besser sei,
alle diese Zeit und Kraft raubenden Bemühungen aufzugeben und
einen bequemeren(?) Weg zu gehen (anstatt sich ständiger Überforderung
auszusetzen), und daher auch
- zwischen Ohnmachtsgefühlen und Machtansprüchen. Die Zukunft
des Vereins und seiner Projekte hängt weiterhin davon ab, ob sich
tatkräftige Aktivistinnen/Mitarbeiterinnen finden, die kompetent,
in der Lage und bereit sind, Ideen und Konzepte tatkräftig, verbindlich
und längerfristig umzusetzen. Noch mehr aber steht und fällt sie
mit der finanziellen Situation bzw. dem Erreichen einer minimalen
Grundfinanzierung.
Was wir bei unseren Bemühungen für uns selbst anstreben: daß die
Entfaltung der Einzelnen der Entfaltung des Ganzen und die Verwirklichung
des Ganzen der Entfaltung der Einzelnen dient.
Anmerkungen
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