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Arbeitsbereich Technik, Naturwissenschaften, Ökologie


Zum Aufbau eines feministischen Forschungs-und Bildungsinstituts im Bereich Technik/Naturwissenschaften/Medizin - Erfahrungen und Perspektiven


von Margarete Maurer(1)

Abstract: Seit drei Jahren (seit 1990) versuche ich meine schon ältere Idee zu realisieren, ein außeruniversitäres Frauenforschungsinstitut mit Schwerpunkt kritischer Forschung im naturwissenschaftlich-technisch-medizinischen Bereich sowie hinsichtlich der sogenannten »Dritten« Welt aufzubauen. Zur Umsetzung dieser Idee haben zehn Frauen im Februar 1991 den Verein für Interdisziplinäre Forschung und Praxis gegründet. Konkrete Ergebnisse bisher: Eine Reihe von Diskussions-Veranstaltungen, mehrere Publikationen sowie das Angebot von Dienstleistungen wie Fachberatung und Verlag. Es werden im folgenden einerseits die strukturellen Probleme und die Schwierigkeiten diskutiert, die Bemühungen wie diesen im Wege stehen, andererseits die Chancen hervorgehoben, die eine außeruniversitäre Einrichtung wie das RLI bietet. Ziel dieses Beitrags, der für den ersten bundesweiten österreichischen Kongreß von Frauen in Naturwissenschaften, Technik und Medizin erarbeitet wurde, war/ist die Klärung der Zukunftsperspektiven und eventuell die Vernetzung mit ähnlichen Initiativen.

Allgemeine Zielsetzung des »Verein für Interdisziplinäre Forschung und Praxis« ist es, praxisorientierte Forschungs-, Informations- und Bildungsarbeit von und für Frauen zu fördern, zu initiieren und auch selbst durchzuführen, entsprechende feministische Aktivitäten zu unterstützen und zu vernetzen, Frauen-Arbeitsplätze in diesen Feldern zu schaffen und mittels Veranstaltungen, Stellungnahmen und Publikationen in der Öffentlichkeit feministischen Anliegen zu vertreten. Auch der gedankliche Austausch und die inhaltliche Diskussion untereinander sind uns sehr wichtig. Wir wollen dazu beitragen, daß gleichzeitig mit dem Sexismus und der Diskriminierung von Frauen auch jeglicher Rassismus in der Gesellschaft und in den Wissenschaften abgebaut wird und arbeiten daher mit entsprechenden anderen Initiativen möglichst eng zusammen. Wir wenden uns gegen die bisherige Ausblendung und Verdrängung weiblicher Erfahrung und die mangelnde produktive Berücksichtigung von Frauen-Interessen in allen Wissenschaften, sind hingegen an Wissenschaftsformen und -inhalten interessiert, welche die Erfahrungen von Frauen mit und in der Gesellschaft - im Beruf, in der Familie, in Wissenschaft, Recht, Politik und Kultur - ernstnehmen. Insbesondere erstreben und verlangen wir die Entwicklung von frauen-, kinder- und naturfreundlichen Natur- und Technikwissenschaften und einer entsprechenden Medizin mit einer sozial und ökologisch angepaßten Technologie. Da es für uns selbstverständlich ist, daß Forschung (und Praxis) von Frauen und für Frauen betrieben wird, muß dies auch nicht eigens betont werden und wir haben darauf verzichtet, das Wort »Frau« oder »Frauenforschung« in den Namen unseres Vereins aufzunehmen; es heißen ja z.B. die österreichischen technischen Universitäten auch nicht jeweils »Technische Universität xy für Männer", obwohl sie de facto Universitäten für Männer sind.

Spezielle Zielsetzung des Vereins ist es, ein (außeruniversitäres) Frauenforschungsinstitut aufzubauen, in dem unter anderem Voraussetzungen und/oder Ansätze dafür erarbeitet werden können. Diese Idee knüpft an Konzeptionen der »Kritischen Theorie« mit ihrem Frankfurter »Institut für Sozialforschung« an(2) , will aber deren Defizite in Hinsicht auf die Geschlechterfrage und bezüglich Naturwissenschaften und Technik (de-nen sie in ihrer Kritik recht äußerlich blieb) nicht nur vermeiden, sondern diese Bereiche zum Schwerpunkt der Auseinandersetzung machen. Die Idee eines neuen kritischen Instituts für interdisziplinäre Forschung (und Praxis) hatte ich schon mehr als ein Jahrzehnt lang mit mir herumgetragen; Erfahrungen in der SchülerInnen- und StudentInnenbewegung der BRD und ein Philosophiestudium zusätzlich zur naturwissenschaftlichen Ausbildung bildeten hierfür den persönlichen Hintergrund, sowie des weiteren auch meine Beteiligung an mehreren (BRD-) bundesweiten Treffen von Frauen in Naturwissenschaften, Technik und (in den ersten Jahren) Handwerk, die seit 1977 zunächst einhalbjährlich, dann jährlich stattgefunden haben und bei denen feministische Naturwissenschafts- und Technik-Kritik immer wichtiger geworden und die Notwendigkeit eines entsprechenden eigenständigen Forschungsinstitutes ebenfalls schon diskutiert worden war.

Warum ein außeruniversitäres Institut? Zum einen, weil frauenbezogene neue Inhalte, neue Methoden, neue Ziele und Problemzugänge besser in anderen als in den herkömmlichen und auf männliche Lebenszusammenhänge bezogenen Arbeitszusammenhängen und Organisationsformen entwickelt werden können, zum anderen, weil zumindest der Bereich feministische Naturwissenschafts- und Technikkritik innerhalb der Institution Universität, d.h. innerhalb naturwissenschaftlich-technischer Fakultäten unter den gegenwärtigen Umständen kaum etablierbar erscheint (einige Gründe siehe unten - allenfalls ist hie und da ein Lehrauftrag möglich). Das »Rosa-Luxemburg-Institut« (RLI) wurde zunächst (1990) als privater ein-Frau-Betrieb gegründet. Der Name »Rosa Luxemburg« für das Frauenforschungsinstitut repräsentiert ein Konzept von Wissenschaft, das sich sozialer bzw. gesellschaftlicher Verantwortung verpflichtet weiß; sie steht mit ihrer Imperialismustheorie für eine kritische Analyse der Gründe für die sogenannte »Unterentwicklung« der Länder der »Dritten« Welt, an die mit dem »Bielefelder Ansatz« der feministischen Debatte der 80er jahre wieder angeknüpft wurde; Rosa Luxemburg hatte eigentlich Naturwissenschaften studieren wollen und blieb bis an ihr Lebensende eine begeisterte Botanikerin, so daß also alle Schwerpunkt-Arbeitsbereiche des RLI innerlich etwas mit ihr zu tun haben. Dennoch war dieser Name im Verein nicht unumstritten, erhielt aber die Mehrheit aller Stimmen. In Österreich zum ersten Mal öffentlich vorgestellt hatte ich die Idee von RL-Institut und Verein als Instituts-Trägerin bei der Frauen-Sommeruniversität 1990 in Wien, im Februar 1991 wurde unser Verein formell ins Leben gerufen. Dies mit der zusätzlichen Zielsetzung der Stärkung, der Förderung und der lokalen, regionalen und internationalen Vernetzung der feministisch orientierten Frauenforschung in Österreich. Wie hoch die Erwartungen und Bedürfnisse hiernach damals waren, läßt sich daraus ersehen, daß die Zahl der Vereinsmitglieder aufgrund nur einer einzigen Informationskampagne in den ersten 1 1/2 Jahren auf etwa das fünffache anstieg. Leider sind in der Folge viele der neuen Mitglieder aufgrund mehrfacher Belastungen durch Familie, Beruf oder andere politische Aktivitäten zu sogenannten »Karteileichen« geworden, die sich zwar an den ihnen zugesandten Rundbriefen erfreuen, aber aktiv wenig bis nichts zu den Vereinstätigkeiten beitragen. Allerdings bildeten Mitglieder des Vereins und der aufgrund meines Vortrages bei der Frauensommeruniversität gebildeten Gruppe »feminate« zusammen mit weiteren Frauen den Verein »Anakonga« und richteten 1993 den ersten österreichischen Kongreß von Frauen in Naturwissenschaften und Technik aus. - Die derzeitige alltägliche Arbeit für Verein und Institut wird geteilt zwischen fünf bis zehn Personen, wobei noch immer zu viel Arbeit unentgeltlich oder für zu wenig Entgelt geleistet wird. Von »normalen« sozialversicherten Arbeitsverhältnissen können wir daher derzeit nur träumen. Dies wirkt sich u.a. gravierend auf den Arbeitsalltag aus: Frau kommt nicht zu dem, was sie als ihre eigentliche Aufgabe ansieht, da ständig irgendwelche Anträge geschrieben, deswegen telefoniert oder neue Geldquellen gefunden werden müssen, wobei das Ergebnis in den meisten Fällen am genauesten so beschrieben werden kann, daß es »zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel« ist.

In Zusammenhang mit dem RLI wurde ein kleiner Verlag gegründet; mittels seiner Publikations(reih)en sollen für Theorie oder Praxis wichtige Arbeitsergebnisse und Materialien schnell herausgegeben und zur Diskussion gestellt werden können: Die Reihe Arbeitspapiere aus dem RLI enthält Ergebnisse aus eigenen Projekten oder Ergebnisse feministischer Untersuchungen von anderen Fraueninitiativen oder engagierten Einzelpersonen zu unseren Arbeitsbereichen; außerdem bieten wir in Form von Dokumentationen wichtige Arbeitshilfen - Bibliographien, Materialien für Bildungsarbeit oder statistische Auswertungen - an, welche in unserem eigenen Verlag, in Kooperation oder auch in anderen Verlagen erscheinen. Unser eigenes Verlagsprogramm enthält bislang insgesamt sechs Titel und wird in Zukunft erweitert werden. Der Verlag bietet außerdem der Frauenbewegung die Möglichkeit, durch die Vergabe einer ISBN-Nummer für Broschüren oder Bücher deren Verbreitung zu erleichtern.

Einige Arbeitsformen von Verein und RLI: Arbeitskreise (spezifische Themen), allgemeine Vereinstreffen mit Präsentationen, Vorträgen, Diskussion (offen für Gäste von außen), jours fixes im Vereinsbüro, interne Rundbriefe, Öffentlichkeitsarbeit, Organisation von Tagungen, Seminaren, Kongressen, Projektarbeit, Beratung und Information (Literaturhinweise, ReferentInnenvermittlung, Hilfestellung bei Schwierigkeiten mit Forschungsvorhaben). Wir verfügen über zwei (derzeit noch private) Spezialarchive zur Frauenforschung (je eines zu Naturwissenschaften/Technik/Medizin und zur »Dritten« Welt) und geben eigene Publikationen heraus. Wir legen Wert auf die konstruktive Zusammenarbeit nicht nur zwischen Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Journalistinnen, sondern zwischen allen interessierten Frauen (also nicht nur solchen mit Universitätsausbildung), auch wenn wir bislang nur sehr wenige nicht-akademisch ausgebildete Frauen zu unseren Mitgliedern zählen können. Was die - leidige - Männerfrage angeht, so verlangen wir von Männern feministisches Engagement; sie können fördernde Mitglieder werden und uns mit Dienstleistungen und/oder mit hohen Mitgliedsbeiträgen unterstützen; bislang hat sich noch kein Mann um die Mitgliedschaft beworben. Die Beschluß- und Entscheidungskompetenzen sollen jedoch möglichst in Frauenhänden bleiben.

Die Mitglieder unseres Vereins, der sich als Teil der autonomen Frauenbewegung versteht, kommen sowohl aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften als aus den Sozial- und Geisteswissenschaften, wobei die meisten berufstätig oder in der Endphase ihres Studiums sind. Kleinere Anfangssubventionen haben wir in diesen ersten zwei Jahren von verschiedenen Ministerien, der Stadt Wien und einer Bank erhalten. Für einen Teil der Publikationen konnten wir Druckkostenzuschüsse einwerben. Insgesamt befinden wir uns noch in der Aufbauphase.

Inhaltliche Schwerpunkte unserer Arbeit liegen in drei Gebieten: kritische (Frauen-) Forschung und Frauenförderung im naturwissenschaftlich-technisch-medizinischen Bereich, hinsichtlich der sogenannten »Dritten« Welt und feministische Theorie/Grundlagenforschung bzw. Fortentwicklung feministischer Theorie und Praxis allgemein. Speziell interessieren wir uns auch für die Zusammenhänge und Bezüge zwischen den beiden erstgenannten Schwerpunkten, wie z.B. für die Auswirkungen technologischer Innovationen und Modernisierungs- bzw. Rationalisierungsprozesse auf die internationale hierarchische geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, auf das Leben und den Alltag von Frauen weltweit (ein Thema z.B.: »Computerisierung und Frauenarbeit") sowie insbesondere für die weltweiten Bemühungen von Frauen, der Zerstörung ihrer Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten und deren natürlicher Grundlagen ihren Widerstand entgegenzusetzen. Welche eigenständigen Sichtweisen und Gestaltungsinteressen und -aktivitäten bringen Frauen in die Technologieentwicklung und das Natur-Wissen und dessen Produktion und Verbreitung, sowie in die praktischen Umgangsformen mit den natürlichen Ressourcen ein oder könnten dies, wenn man(n) sie ließe? Unsere Arbeitsgruppe »Frauen, Ökologie und 'Dritte' Welt« (bestehend aus drei Natur-/Technikwissenschaftlerinnen mit »Dritte"-Welt-schwerpunkten, einer Politologin und einer indischen Soziologin) hat sich am Beispiel »Wasser« (Bedeutung des Wassers; Bewässerungssysteme; Staudammbau) intensiv und international vergleichend mit diesen Fragen befaßt. Auch organisierten wir Vorträge zur Debatte um Gen- und Reproduktionstechnolgien beim NGO-Forum beim Welt-Umweltgipfel in Rio de Janeiro und über das Narwada-Staudamm-Projekt in Indien, an dem die Weltbank beteiligt war. Ein Mitglied des Vereins bereitet eine Informations-Aktion zur Politik der Weltbank (anläßlich »Jubiläum« 1994) hinsichtlich Frauen/arbeit und (technischen) GroßpDrojekten vor.

Zum Arbeitsfeld Naturwissenschaften/Technik/Medizin: wir befassen uns zum einen mit der beruflichen Situation von Frauen in den entsprechenden Männerdomänen, und zwar nicht nur hinsichtlich der historischen und der aktuellen Zugangsbedingungen von und Durchsetzungsstrategien für Frauen, sondern insbesondere auch hinsichtlich der Möglichkeiten einer eigenständigen (feministischen) Beeinflussung und Gestaltung dieser Gebiete und ihrer Entwicklung(srichtung). Unsere Naturwissenschafts- und Technik- sowie Medizin-Kritik beinhaltet also z.B. die Analyse und Bewertung der sozialen und betrieblichen Strukturen dieser Bereiche, ihrer Denk- und Verfahrensweisen, ihrer Modellvorstellungen und Analogiebildungen sowie ihrer forschungs- und praxisleitenden Interessen und Zielsetzungen und ihrer ökonomisch-politischen Verquickungen und Funktionen - alles insbesondere in Hinsicht auf die Bedeutung und/oder Auswirkungen auf/für Frauen und Natur bzw. hinsichtlich feministischer und ökologischer Perspektiven. Beispielsweise hatten wir Vorträge und Diskussionen über den Berufseinstieg von Informatikerinnen oder über Stadtplanungsalternativen von Frauen. Die Frage, inwiefern die Meteorologie ein Modell für feministische Arbeitsmöglichkeiten in den harten Naturwissenschaften darstellen könnte, wurde von unserem Vereinsmitglied Petra Seibert zusammen mit ihrer deutschen Kollegin Esther Tamm untersucht, beim 17. bundesdeutschen Treffen in Kiel 1991 vorgestellt und in der Kongreßdokumention abgedruckt. Zu zweit erarbeiteten wir eine Studie und Stellungnahme zur Frage des Anteils der Physikerin bzw. Physikstudentin Mileva Mariç, Albert Einsteins erster Ehefrau, an der Entwicklung der speziellen Relativitätstheorie, nachdem die »Zeit« hierüber einen sexistisch-antifeministischen Artikel veröffentlicht hatte; die Ergebnisse wurden beim 18. Bundesweiten Kongresses von Frauen in Naturwissenschaft und Technik im Mai 1992 präsentiert und später publiziert. Die schon länger geplante Ausstellung über Naturwissenschaftlerinnen und ihre Perspektiven innerhalb und/oder außerhalb der Institutionen - mit einem historischen Anteil zur Physikerin Lise Meitner - muß hingegen noch warten, da für die beantragte Aktion 8000-Stelle noch keine Ausfinanzierung gefunden wurde. Hingegen konnte die umfangreiche Dokumentation »Frauenforschung in Naturwissenschaft, Technik und Medizin", deren Endfassung von unserem Verein sowie den Frauenreferaten mehrerer technischer Hochschulen und einer Gruppe von Medizinerinnen unterstützt wurde, nach monatelanger Arbeit noch rechtzeitig zum oben genannten ersten österreichischen Kongreß im Wiener Frauenverlag herauskommen; sie bietet mit ihren sieben Hauptkapiteln (A.Bibliographien, B. Theorie, C. Empirische Voraussetzungen der Frauenforschung, D. Geschichte, E. Einzelne Bereiche, F. Spezialzeitschriften, G. Adressen) sowohl einen umfassenden Überblick über die vorhandene Literatur (wobei zusätzlich oft Standorte und/oder Bezugsmöglichkeiten angegeben werden) als auch eine Adressen-Zusammenstellung der auf diesem Gebiet arbeitenden Forschungs- und Arbeitsgruppen, die die weitere Vernetzung und Zusammenarbeit fördern und dem Gefühl der Vereinzelung in diesen von Männern dominierten Bereichen entgegenwirken soll. Frauen in Naturwissenschaften und Technik, die sich in Studium und Beruf einer Vielzahl von latenten, strukturell bedingten Verunsicherungen ausgesetzt sehen (was z.B. eine relativ hohe Abbruchrate bedingt) erhalten über den Zugang zur Literatur bessere Möglichkeiten, sich mit den Erscheinungsweisen und Ursachen dieser Situation fundiert zu beschäftigen und aus dieser Auseinandersetzung Anregungen für die Überwindung der Probleme zu schöpfen. Mit mehreren Frauen, die nach abgeschlossenem naturwissenschaftlichem Studium und einer ersten Berufstätigkeit zu uns kamen, weil sie »nie wieder was naturwissenschaftliches", sondern hinfort nur noch »was mit Frauen« machen wollten - sie hielten die frauenfeindlichen, Konkurrenz- und »Macher"-orientierten Strukturen, Anforderungen und Verhaltensweisen im Beruf und/oder die am Naturobjekt vorbeigehenden Verfahrensweisen (Berechenbarkeit statt objekt-Bezug) ihres Faches nicht mehr aus - führten wir intensive Gespräche; in einigen Fällen konnten wir sie beim Umstieg beraten, in anderen Fällen konnten wir einen Job in einer anderen naturwissenschaftlichen Institution vermitteln (Arbeitsplätze können sich im Detail sehr wohl unterscheiden!) und damit diese Frauen für die Wissenschaft »retten« - wir hoffen, daß sie weiterhin versuchen werden, ihre stärker objektbezogenen und weniger egozentrisch orientierten Sichtweisen in ihrem Fachgebiet durchzusetzen.

Vorläufiges Fazit: Abgesehen von der kleinen Studie über Mileva Mariç, die privat finanziert wurde, konnten bislang im Rahmen des Vereins keine »eigentlichen« Forschungsprojekte durchgeführt werden (Veröffentlichungen von Mitglieder unseres Vereins, die sie an ihren Arbeitsplätzen in anderen Institutionen erstellt haben, zählen selbstverständlich nicht als Vereinsaktivität), da bislang noch keine mittel- geschweige denn längerfristig gesicherten Arbeitsplätze geschaffen werden konnten bzw. die erforderliche Grundfinanzierung fehlt (mindestens 1 1/2 Stellen für Büro/Geschäftsführung). Es wurden aber - sozusagen als fachliche »Dienstleistungen« für die Frauenbewegung/-forschung - umfangreiche Doku-mentationen bzw. Bibliographien publiziert, die eine wichtige Grundlage für die weitere praxisorientierte feministische Forschung in den oben genannten Bereichen darstellen; so gilt die beim »Wiener Frauenverlag« im Herbst 1993 erschienene 650seitige Dokumentation »Frauenforschung in Naturwissenschaft, Technik und Medizin« diesem schon jetzt als Standardwerk. Als zweite Hauptfunktion unseres Vereins hat sich herausgestellt, daß wir Naturwissenschaftlerinnen bei beruflichen Problemen beraten haben und einzelne Frauenforscherinnen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften bei Schwierigkeiten (inhaltlichen und/oder solchen mit GeldgeberInnen oder Begutachtungen) in ihren Forschungsprojekten. Mehrere Diplomarbeiten wurden vor oder nach ihrer Fertigstellung bei internen Veranstaltungen des Vereins im Konzept vorgestellt und dort sowie in weiteren Gesprächen intensiv diskutiert, was nach Meinung der Autorinnen sehr zum späteren Gelingen beigetragen - und einige von uns sehr zum Nachsinnen darüber gebracht hat, welche Funktion unser Verein damit gewonnen hat. Denn mit diesen Leistungen - daß wir einen freien, offenen und hochqualifizierten Diskussionsort für im Entstehen begriffene Abschluß- und Forschungsarbeitenarbeiten geboten haben - haben wir letztlich »nur« eine (wenn auch für die Betroffenen sehr wichtige) Kompensationsfunktion erfüllt, die auf einem Mangel der Universität(sstruktur)en beruht und eigentlich von den Universitäten und Forschungsinstitutionen selbst erfüllt werden müßte. Unbezahlte Zuarbeit bzw. Diplomandinnen- /Doktorandinnen- und Forscherinnen-Betreuungsarbeit für Universitäten und Institutionen zu leisten, stellt aber nicht unseren Vereinszweck dar, auch wenn die Unterstützung von feministischen Frauenforscherinnen in Institutionen und/oder von Frauen in sogenannten Männerdomänen sehr wohl hierzu zählt, manches Thema universitärer Arbeiten bei uns auf reges Interesse stößt und außerdem umgekehrt einige Hochschullehrerinnen und Universitätsangehörige zu unseren Mitgliedern und/oder Unterstützerinnen zählen - so daß wechselseitige Kooperationen die Regel sind, und nicht etwa gegenseitige Abgrenzungen. Auch ist die Lehrtätigkeit unserer Mitglieder an den Hochschulen, z.B. im Rahmen von Lehraufträgen, von uns sehr erwünscht; sie soll dazu beitragen, den Kontakt zu den akademischen Institutionen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die in unserem Forschungsinstitut bearbeiteten Fragestellungen der nächsten WissenschaftlerInnen-Generation nahezubringen. Es wird daher in Zukunft darauf ankommen, diese Beratungstätigkeit fortzusetzen, aber auch für uns selbst fruchtbar zu machen.

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Anmerkungen

  1. Für intensive Diskussionen und viele Verbesserungsvorschläge danke ich insbesondere Lyla Mehta und Ingrid Salner-Gridling. Dieser Bericht war ursprünglich für den Dokumentationsband zum Ersten Österreichischen Treffen von Frauen in Naturwissenschaften, Technik und Medizin verfaßt worden, erschien in dem von »Anakonga« herausgegebenen Band dann jedoch nicht, da »Anakonga« alle Gruppen-berichte strich. Die ausführliche, etwa 40seitige Originalfassung dieses Beitrags ist erschienen in: Eva Knollmayer/Gerti Seiser (Hg.): Von den Bemühungen der Frauen, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, Wien (BMWF, Reihe Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft, Band 3) 1994. - Die Kürzungsvorschläge für diese Fassung stammen von Anakonga.
  2. Vgl. u.a. Max HORKHEIMER: Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung, in: Ders.: Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/M. 1972, S. 33ff.; Martin JAY: Dialektische Phantasie. Die Geschichte der Frankfurter Schule und des Instituts für Sozialforschung 1923-1950, Frankfurt/M. 1973; Alfred SCHMIDT: Zur Idee der kritischen Theorie, München 1976; Wolfgang BONß/Axel HONNETH (Hg.): Sozialforschung als Kritik, Frankfurt/M. 1982; Willem VAN REIJEN: Philosophie als Kritik, Königstein/Ts. 1984; Rolf WIGGERSHAUS: Die Frankfurter Schule, München 1986; Christine KULKE (Hg.): Rationalität und sinnliche Vernunft. Frauen in der patriarchalen Realität, Berlin (publica) 1985; Regina BECKER-SCHMIDT: Identitätslogik und Gewalt - Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Feminismus, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis 24: Der Kaiserinnen neue Kleider. Feministische Denkbewegungen, Köln 1989, S. 51-64.; Christine KULKE/Elvira SCHEICH (Hg.): Zwielicht der Vernunft. Die Dialektik der Aufklärung aus der Sicht von Frauen, Pfaffenweiler (Centaurus, Reihe Feministische Theorie und Politik Band 7, hg. von Barbara Schaeffer-Hegel) 1992.


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