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Arbeitsbereich Technik, Naturwissenschaften, Ökologie

FORTSETZUNG DER ANALYSE von Margarete MAURER:

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf... DIE ELTERN" ODER "DER VATER" DER RELATIVITÄTSTHEORIE?

Aus: PCnews, Nr. 48, Jg. 11, Heft 3, Wien, Juni 1996, S. 20-27


Zum Beginn dieses Aufsatzes


Das gemeinsame Studium und die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Maric waren für Einstein auch deshalb besonders wichtig, weil er als Student und dann als Arbeitsloser (er fand erst 1902 eine Anstellung am Patentamt in Bern) auf sich gestellt war und in dieser Zeit keinen Zugang zu akademischen Diskussionszusammenhängen hatte (Clark 1981, S. 43). Die Diskussionen mit Mileva Maric boten ihm das intellektuelle Klima, das notwendig ist, um überhaupt Gedanken entwickeln und weiterentwickeln zu können. Mileva Maric war die erste Ansprechpartnerin Albert Einsteins, wenn es um die mathematische Formulierungen seiner (oder ihrer gemeinsamen?) Ideen ging, wie indirekt aus Michelmores Biographie zu entnehmen ist (1968, S. 56); zu weiteren engen mathematischen Freunden wurden der gemeinsame Studienkollege Marcel Grossmann und später in Bern Albert Einsteins Kollege am Patentamt, Michele Besso. "Grossmann hatte die Gabe, sofort zum Kern jedes neuen Problems vorzustoßen und sich selbst Lösungen zu erarbeiten", notiert dazu Michelmore (1968, S. 35) und über Mileva Maric: "Sie war in Mathematik ebenso gut wie Marcel." (S. 36). Das "annus mirabilis" 1905 (Cassidy 1986), mit seinen wichtigen Veröffentlichungen in den "Annalen der Physik", war der Höhepunkt dieser gemeinsamen Zeit; viele Biographen Albert Einsteins haben sich vor 1987 gewundert, wie er in dieser isolierten Situation dermaßen produktiv werden konnte (z.B. Holton 1984, S. 66). Ob dies auch an Maric gelegen haben könnte, und ob sie in originärem Sinne an der Entwicklung dieser Ideen beteiligt war, kann zwar kann auch nach der Veröffentlichung der Collected Papers nicht abschließend entschieden werden und bleibt eine offene Frage. Für die meisten Biographen Albert Einsteins lag sie vor 1987 jedoch noch nicht einmal als Frage im Blickfeld ihrer Untersuchungen:

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In den Kapiteln zur Züricher und Berner Zeit der von Einstein selbst autorisierten Biographie "Anton Reiser"s von 1930 (Pseudonym für Rudolf Kayser, Ehemann von Ilse Einstein, Einsteins Stieftochter bzw. Tochter seiner zweiten Ehefrau Elsa Löwenthal), wird Mileva Maric nur einmal anläßlich ihrer Heirat erwähnt; dasselbe geschieht ihr in dem Aufsatz Louis Kollros' (Vortrag 1955, in Seelig 1956), der an der ETH immerhin auch ihr Studienkollege gewesen war. Gleichfalls nur in der Funktion als (erster) Ehefrau und Mutter seiner Kinder, wenn auch etwas häufiger nennen sie Banesh Hoffmann und Helen Dukas (englisch 1972, deutsch 1978/1979), die in Princeton/USA MitarbeiterInnen Albert Einsteins' waren: Hoffmann als sein Schüler, Assistent und Mitarbeiter, Dukas als seine Sekretärin (ab 1928) und später auch Haushälterin (bis 1955); die Bedeutung der Berner Diskussionen mit den Freunden Besso und Solovine wird von Hoffmann/Dukas betont, Mileva Maric-Einstein dabei aber ausgelassen.
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Ein darüberhinaus in vielen Aspekten ausgesprochen negatives Bild zeichnen die beiden frühen Einstein-Biographen Philipp Frank (englisch 1947/1948, deutsch 1979) und Carl Seelig, (1954): Frank erwähnt in seiner ebenfalls von Einstein autorisierten Darstellung zwar das gemeinsame Studium der Werke großer Physiker, bemängelt aber an Maric: "Wenn er ihr als Fachkollegin seine Ideen, von denen er überfloß, mitteilen wollte, war ihre Reaktion so dürftig und schwach, daß er oft nicht recht wußte, ob sie sich dafür interessierte oder nicht." (1979, S.44). Seelig übertrifft dies noch: "Ohne Einstein hätte sie das Abgangszeugnis vielleicht nie erworben. Ihre grüblerische Schwerblütigkeit machten ihr das Studium und das Leben oft sauer. Auf ihre Umgebung wirkte Mileva leicht düster, wortkarg und mißtrauisch." (1954, S. 52-53).
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Dieser zur "Bauerntochter" gut passende Konstruktionsplan für die historische Herabsetzung Marics wurde in der Standardbiographie Ronald Clarks (englisch 1973, deutsch 1981) weiter ausgebaut (vgl. dazu auch Agnes Hüfner 1989): Einstein würde sich laut Clark "physisch verbraucht" haben, "wenn er seine Frau nicht auf eine gewisse Distanz hätte halten können." (1981, S. 40). - Wie will Clark dies aber wissen, wenn er einige Zeilen vorher doch selbst festgestellt hat: "Die Frage, ob Mileva ihrem Mann half, die Leiter des Erfolges zu erklettern, oder ob sie ihn bremste, bleibt ungeklärt" (1981, S.40) ?
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Auch wenn einige Biographen das gemeinsame Privatstudium und ihre enge Freundschaft nicht verschwiegen haben (z.B. Wickert 1972, S.19, Frank 1979), so kommt Maric in der Auflistung der Freunde und Mitarbeiter Albert Einsteins bei vielen dennoch nicht vor: So listet Abraham Pais in seiner wissenschaftlichen Biographie Einsteins (nur) wichtige Diskussionspartner mit "Folgeaktivitäten" auf. Er erwähnt daher als fehlend Michele Besso, aber Mileva Maric noch nicht einmal als fehlend (1986, S. 486); außerdem setzt auch er die Negativberichterstattung über Maric fort: "seine Ehe war vielleicht nicht ideal." (S. 48). Auch Lewis Pyenson, der sich (zwar 4 Jahre später) in der Rezension der "Collected Papers" (1989) mit Maric beschäftigt hat (siehe oben), erwähnt sie nicht in seinem Werk "The Young Einstein" (1985) - obwohl es gerade in diesem Werk ausdrücklich auch um die mathematischen Beziehungen Einsteins mit anderen, insbesondere in der frühen Zeit, geht. Pyenson erwähnt lediglich die Studienkollegen Louis Kollros und Marcel Grossmann, diese allerdings auch nicht als Mitarbeiter, sondern nur vergleichsweise hinsichtlich der belegten mathematischen Lehrveranstaltungen (1985, S. 21).
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Selbst für Peter Michelmore, der der Person Marics vergleichsweise das größte Verständnis entgegenbringt, steht fest: "Mileva half ihm bei der Lösung gewisser mathematischer Aufgaben, niemand jedoch konnte ihm bei der schöpferischen Arbeit, beim Hervorbringen neuer Ideen helfen." (1968, S. 45).
Es läßt sich diskutieren, ob nicht schon eine solche Hilfe von unschätzbarem Wert ist und daher zu einer Neubewertung Maric' in der Physikgeschichte führen müßte. Hier jedoch dient diese strikte Trennung zwischen "Idee schaffen" und "helfen" der Konstruktion eines Schöpfer-Mythos "Einstein als Genie des Jahrhunderts" und der Konstruktion eines Helferinnen-Syndroms hinsichtlich (s)einer Frau. - Wessen Bedürfnissen und Interessen entspricht dies? Brauchen Wissenschaftshistoriker solche Auftrennungen, um ihrem Bedürfnis nach der Schaffung männlicher Identifikationsobjekte nachgehen zu können? Warum hat Albert Einstein nichts gegen solche Darstellungsweisen unternommen? Denn seinem sonst geäußerten Selbstverständnis entsprechen sie nicht: er hat zwar nicht Mileva Maric, aber immerhin Marcel Grossmann und Michele Besso sehr bewegt gerade für eine solche Hilfe - Hilfe beim Hervorbringen neuer Ideen - gedankt (in: Seelig 1956, S. 16; Annalen der Physik, Bd. XVII, 1905, S. 891-922). Über Besso sagte er in diesem Zusammenhang, in Bezug auf die spezielle Relativitätstheorie: "Wir diskutierten jeden Aspekt dieses Problems. Da plötzlich verstand ich, wo der Schlüssel zu diesem Problem lag. ÉEine Analyse des Konzepts der Zeit war meine Lösung." (Einstein 1982, S. 46). Und in den Diskussionen mit Großmann hat Einstein laut Abraham Pais "den richtigen Ausgangspunkt für die allgemeine Relativitätstheorie gefunden" (1986, S. 216). Geistige Ergebnisse entstehen also im "Denkkollektiv", wie Ludwik Fleck dies analysiert hat (siehe Kasten).

"Ein schlechter Beobachter, wer nicht bemerkt, wie anregendes Gespräch zweier Personen bald den Zustand herbeiführt, daß jede von ihnen Gedanken äußert, die sie allein oder in anderer Gesellschaft nicht zu produzieren imstande wäre. Eine besondere Stimmung stellt sich ein, der keiner der Teilnehmer sonst habhaft wird, die aber fast immer wiederkehrt, so oft beide Personen zusammenkommen. Längere Dauer dieses Zustandes erzeugt aus gemeinsamem Verständnis und gegenseitigen Mißverständnissen ein Denkgebilde, das keinem der zwei angehört, aber durchaus nicht sinnlos ist. Wer ist sein Träger und Verfasser? Das kleine zweipersonale Kollektiv."

Ludwik Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache, Frankfurt/M. 1980 (stw 312, textidentisch mit der Erstausgabe 1935, S. 60) - Ludwik Fleck: Arzt und Wissenschaftstheoretiker, auf dessen Gedanken T.S. Kuhns "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" aufbaut.

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Dennoch trifft auch John Stachel noch 1987 eine solche strenge Unterscheidung zwischen dem (genialen) "Schöpfer der Idee" (Albert Einstein) und denen, die "nur" mathematische ZulieferInnen und/oder lediglich verstärkende Resonanzböden, "sounding boards" dabei sind oder sein sollen. In diese Kategorie des "verstärkenden Resonanzbodens" ordnet Stachel einerseits Michele Besso und Conrad Habicht ein, andererseits Mileva Maric - obwohl auch nach seiner eigenen Meinung "die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie eine bedeutendere Rolle spielte" (Stachel, Coll. Papers, 1987, S. XXXIXf.). Die "Evidenz" spreche nicht dafür, meint er: außer einem Brief an Albert Einstein, in dem sie eine Vorlesung von Lenard kommentiere (siehe Kasten), berühre keiner der Briefe Marics an Einstein "substantielle Punkte der Physik", wohingegen seine Briefe an sie davon geradezu überbordeten (Stachel 1989, S. 11). Auch die Sprechweise "wir" und "unsere Arbeit" in seinen Briefen (siehe Kasten) dürfe nicht als Ausdruck gleichwertiger Zusammenarbeit gewertet werden: dies sei eben die Art, wie ein verliebter junger Mann seine Freundin anrede (Stachel, nach Schleifstein 1990).

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Nachdem in Hinsicht auf Albert Einstein und die spezielle Relativitätstheorie fast jeder Aspekt ihres Zusammenhangs in der Physikgeschichtsschreibung kontrovers ist - sowohl Entstehung, Bedeutung als auch Wirkung werden in Büchern und Artikeln unterschiedlich bewertet und ausführlich diskutiert (vgl. Cassidy 1986) - ist es erstaunlich, daß John Stachel glaubt, in Hinsicht auf Mileva Maric die Diskussion über eben diese Aspekte mit solchen Argumenten erledigen zu können, zumal da er selbst das vorliegende Material für nicht ausreichend hält und versteckt, aber dennoch, über Mileva Einstein-Maric auf S.381 der Collected Papers anmerkt: "Ihre intellektuelle und persönliche Beziehung mit dem jungen Einstein spielte eine wichtige Rolle in seiner Entwicklung."

Maric an Einstein und andere

"Ich glaube nicht daran, daß der Bau des menschlichen Schädels daran schuld ist, dass der Mensch das Unendliche nicht fassen kann dass könnte er gewiss auch, wenn man nur den kleinen Mann in seinen jungen Tagen, wo er das Begreifen lernt, nicht so grausam an die Erde, oder gar an ein Nest, in die engen 4 Wände einsperren würde, sondern ihn ein bissel spazieren liesse in's Weltall hinaus. Ein unendliches Glück kann sich der Mensch so gut denken, und das unendliche des Raums sollte er fassen können, ich glaub, das müßte noch viel leichter sein.É O das war zu nett gestern in der Vorlesung vom Prof. Lenard, er spricht jetzt uber die kinetische Warmetheorie der Gase; da stellte es sich also heran die Moleküle des O mit einer Geschwindigkeit von über 400 m. in einer Seckunde bewegen, dann rechnete der gute Prof. und rechnete, stellt Gl. auf differen. integrierte, setzte ein und endlich kam es heraus dass diese Molekule sich zwar mit dieser Geschwindigkeit bewegen aber dass sie nur einen Weg von 1/100 von einer Haarbreite zurücklegen." (an Einstein, Dok. 36, 20. Oktober 1897).

"Albert hat eine physikalische Abhandlung geschrieben, die nächstens wahrscheinlich in den physikalischen Annalen veröffentlicht wird. Kannst Dir vorstellen, wie stolz ich auf mein Schatzerl bin. Es ist nämlich keine alltägliche Arbeit, sondern sehr bedeutend, aus der Theorie der Flüssigkeiten. Wir haben sie auch privatim dem Boltzmann eingeschickt." (an Helene Savic , Dok. 85, 20.12.1900)

"Albert bewarb sich um eine practische Stelle in Wien. Er will sich so, da er sich doch Geld verdienen sollt, weiter in der theoretischen Physik, neben seiner Arbeit, vervollkommnen um später Universitätsprofessor zu werden. Wir wissen aber nicht, was daraus wird. Und was aus mir wird, ob ich wirklich an ein Mädchengymnasium komme, das wissen auch die Götter.
Wir leben und arbeiten immer noch wie früher."
(an Helene Savic, Dok. 87, 8. Januar - 19. März 1901; Hervorhebung M.M.).

"Gotterl, wie wird da die Welt schön aussehen bis ich Dein Weiberl bin Du wirst sehen, es wird kein glücklicheres Weibchen geben, auf der ganzen Welt und dann muß das Manderl auch so sein." (an Einstein, Dok. 108, Mai? 1901).

"Mit Weber habe ich schon ein Par Mal Streit gehabt, doch das sind wir ja schon gewöhnt." (an Helene Savic, Dok. 109, Mai? 1901; Maric stritt sich mit dem Betreuer ihrer Diplomarbeit und Doktorarbeit, Prof. Weber, weil er Einstein keine Assistentenstelle gegeben hatte).

"Vor kurzem haben wir ein sehr bedeutendes Werk vollendet, das meinen Mann weltberühmt machen wird." (Gespräch mit ihrem Vater, ZeugInnen: Desana Tapaverica, laut Trbuhovic-Gjuric 1983, S. 75; Sida Gajin 1955 und Zarko Maric 1961, laut Krstic 1991, S. 94)

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Und sollte Albert Einsteins Sprechweise des "wir" die des verliebten Mannes sein, so fragt sich, warum Stachel dann nicht berücksichtigt, was durch viele historische Beispiele viel besser belegt und plausibler ist: daß es bei Frauen, die mit einem Mann (Vater, Bruder, Ehemann) zusammenarbeiteten, sehr häufig war, sich hinsichtlich der gemeinsamen und sogar auch der eigenen alleinigen Arbeiten einzig auf den geliebten Mann zu beziehen, von "seiner" Arbeit zu sprechen und "freiwillig" hinter ihm zu verschwinden (bekanntetestes Beispiel: Caroline Herschel hinsichtlich ihres Bruders)? Warum argumentiert Stachel also nicht entsprechend, bei Mileva Maric, es bedeute nichts, wenn sie von "seiner" Arbeit spreche - denn dies sei (oder ist) die Sprache einer verliebten Frau.

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An solchen Debatten sind die Schwierigkeiten gut zu erkennen, die sich der historischen Bewertung der frühen Aufsätze Albert Einsteins entgegenstellen. Wer hat beispielsweise den 1900 geschriebenen und 1901 veröffentlichten Aufsatz "Folgerungen aus den Capillaritätserscheinungen" erarbeitet? Mileva Maric erwähnt diese Arbeit in einem Brief an Helene Savic vom 20.12.1900: "Albert hat eine physikalische Abhandlung geschrieben, die nächstens wahrscheinlich in den physikalischen Annalen veröffentlicht wird. Kannst Dir vorstellen, wie stolz ich auf mein Schatzerl bin." (Dok. 85). - Albert Einstein hingegen schreibt 1901 aus Winterthur an Mileva Maric: "Der hiesige Prof. Weber Éinteressiert sich für meine Arbeiten. Ich hab' ihm unsere Abhandlung gegeben. Wenn wir nur bald das Glück hätten, zusammen auf dieser schönen Bahn weiter zu streben" (Dok 107, Hervorhebungen d.A.). Wie, wenn diese gemeinsame Arbeit so ausgesehen hat, daß beide zusammen die wichtige Literatur lasen, das Problem durch und durch erörterten; daß - da es sich um ein physikalisches Thema mit wenig Mathematik handelte - Albert Einstein eine erste Fassung schrieb, Mileva Maric diese mit ihm diskutierte, durchsprach, prüfte, korrigierte, sie eine zweite Fassung schrieben, diese diskutierten usw.? Nach heutigen Kriterien wäre Maric die Mitautorin, und zwar auch dann, wenn sie selbst sich bescheiden in den Hintergrund rückte. Daß Maric an diesem Aufsatz nämlich überhaupt nicht beteiligt gewesen sei, läßt sich schwer behaupten, denn warum hätte dann Albert Einstein in diesem Brief erst von "interessiert sich für meine Arbeiten" geschrieben, und direkt darauf bezogen "Ich hab' ihm unsere Abhandlung gegeben" - und dann auch noch der Hoffnung Ausdruck gegeben, "zusammen auf dieser schönen Bahn weiter zu streben"?!

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Leider diskutiert Stachel die vielen Argumente für eine "bedeutendere" Rolle Marics, die von Desanka Trbuhovic-Gjuric (1969/1982) bereits vorgetragen wurden, in seiner Einleitung zu den "Collected Papers" nicht - ihr Buch wird zwar hinten (auf der genannten Seite 381) als Quelle angegeben, aber es wird weder ausreichend gewürdigt noch in die Interpretation oder in den Kommentar einbezogen, obwohl es eine sehr wertvolle Quelle darstellt: geschrieben von einer Physikerin und Universitätsprofessorin, die nicht nur wie Maric aus Jugoslawien stammte und serbisch sprach, sondern auch zu Zürich enge Beziehungen hatte, enthält es die Auswertung von Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und Dokumenten und die Ergebnisse umfangreicher persönlicher Recherchen der Autorin, nämlich der Befragung von Zeitgenossen, Verwandten, FreundInnen und ehemaligen StudienkollegInnen - diese lebten damals noch. Hätte der Herausgeber der "Collected Papers" es sich leisten können, eine solche Quelle in seiner Interpretation unberücksichtigt zu lassen, wenn sie von einem Mann, und nicht von einer Frau, wenn sie von einem Mitglied einer US-amerikanischen Hochschule und nicht von einer Professorin der Technischen Hochschule und der Universität in Belgrad, verfaßt worden wäre?

Außer den bereits genannten Punkten, wie Albert Einsteins eigenen Aussagen über ihre Zusammenarbeit (siehe Kasten), machen folgende weitere Fakten einen bedeutenden Beitrag Mileva Marics an den allein Albert Einstein zugeschriebenen Arbeiten (insbesondere bis und von 1905) trotz der schlechten Quellenlage plausibel und wahrscheinlich:

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Für eine enge und langjährige Zusammenarbeit spricht außerdem die Tatsache, daß Mileva Maric während der Zeit in Bern zusammen mit dem gemeinsamen Freund Paul Habicht eine Influenz-Maschine zur Messung kleiner Spannungen durch Multiplikation entwickelte, zu der Albert Einstein die Patentanmeldung schrieb. Als einer der beiden Brüder Habicht Maric fragte, warum sie nicht auch ihren Namen darunter geschrieben hätte, sagte sie: "wir sind beide nur Ein Stein." Da habe auch Paul Habicht nur seinen Familiennamen angegeben. Das Patent wurde unter dem Namen "Einstein-Habicht" eingetragen (Trbuhovic-Gjuric 1983, S.65).

Auch wenn Mileva Maric sich hier daran beteiligt hat, hinter dem Namen des geliebten Mannes zu verschwinden, so ist die Darstellung in den meisten anderen Biographien zu Einstein dennoch zu kritisieren: entweder kommt diese Influenzmaschine überhaupt nicht vor (Clark 1981) oder nur in patriarchaler Perspektive: dann haben Paul Habicht und Albert Einstein das Gerät alleine, ohne Mileva Maric, entwickelt (Pais 1986, S.488), oder der Anteil Marics wird nur als "gelegentliche Mitarbeit" bezeichnet (Seelig 1954, S. 73). Auf diese Weise verschwindet der Name und/oder die Leistung der Wissenschaftlerin in der Geschichtsschreibung, sie wird totgeschwiegen oder abgewertet zur bloßen Helferin und Assistentin eines Mannes. Nachher erscheint es als so klar, daß nur ein Mann der Akteur gewesen sein kann, daß viele Nachkommende die Behauptungen nicht mehr nachprüfen zu müssen glauben, und einer schreibt vom anderen ab.

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Anmerkung

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