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"Dem Zuge der Zeit entsprechend".
von Juliane MIKOLETZKY / Ute GEORGEACOPOL-WINISCHHOFER / Margit POHL
Wiener Universitätsverlag (WUV), Wien 1997
337 Seiten, ISBN 3-85076-258-7, ATS 468,- bzw. DM 65,-
1996 fanden in Österreich einige Feiern und Veranstaltungen zu 100 Jahre Frauen an Österreichs Universitäten statt. Gleichzeitig entstanden Publikationen zum Thema, aber da die Frauen zahlenmäßig vermehrt in den Geisteswissenschaften tätig sind, fehlten die Naturwissenschaftlerinnen, Ingenieurinnen und Technikerinnen in den Veröffentlichungen.
Die Öffentlichkeit bemerkte kaum, daß es nur an einzelnen Universitäten schon seit 1896 Studentinnen gab, denn erst ein Ministerialerlaß vom 7. April 1919 gestattete es auch Frauen an Hochschulen technischer Richtung zu inskribieren. Das hier vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Geschichte der Frauen an technischen Universitäten, im speziellen der Technischen Universität Wien.
Die Hauptautorin, Frau Juliane MIKOLETZKY, ist stellvertretende Leiterin des Universitätsarchivs der TU-Wien, und Lehrbeauftragte für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien. Das Buch ist in drei große Kapitel gegliedert, wovon Frau Mikoletzky die historischen Hintergründe erforschte, die Frauen von der Technik abhielten, denn die Ablehnung von Frauen in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern und Berufen entfaltete erst spät im 19. Jahrhundert ihre volle Wirksamkeit. Bis dahin gab es spezielle "Damen-Vorlesungen", die von Lehrenden des königlich- kaiserlichen polytechnischen Instituts (heutige TU-Wien) in Tageszeitungen angekündigtwurden. Manche davon konnten Frauen nur gegen ein Entgelt besuchen.
Einen entscheidenden Einschnitt gab es 1877, als der Professor Sevcik wieder einmal um einen Hörsaal für seine "Vorträge aus der Mathematik für Damen, Samstag 2-4 Uhr nachmittags" einreichte, und der Antrag im Professorenkollegium abgelehnt wurde. Das Professorenkollegium beschloß, künftig keine Frauen, die bis dato als außerordentliche Hörerinnen inskribieren durften, zuzulassen. Als Folge gab es bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts keine nachweisbaren Bemühungen von Frauen, an der Wiener Technischen Hochschule zu studieren.
Ein weiteres Hemmnis auf dem Weg von Frauen zur Universität war die Schulbildung. Schon während der Habsburgermonarchie bildete sich die Matura als Voraussetzung für den Hochschulzugang heraus. Es gab einige private Höhere Schulen für Mädchen, aber erst 1890 setzte der Staat mit der Errichtung eines Mädchenlyzeums eine eigene Initiative. Dort konnte jetzt die Matura abgelegt werden, jedoch ohne die "Reifeklausel", die zum Besuch einer Universität berechtigt hätte. Studierwillige Frauen mußten beim Ministerium ansuchen, eine Knabenschule besuchen zu dürfen.
Durch einen Mangel in den Studienplänen der Lehramtsstudentinnen für "höhere Handelsschulen" und "Darstellende Geometrie", mußten sie darstellende Geometrie, das nur an der Technischen Hochschule abgehalten wurde besuchen. Das Ministerium für Kultus und Unterricht mußte den ansuchenden Frauen wohl oder übel doch den Zutritt zu genau diesen Vorlesungen ermöglichen, aber zu keiner weiteren.
Doch die politische Situation blieb nicht immer so hart, auch Beispiele aus anderen Ländern (die ETH Zürich nahm ab 1871 Hörerinnen auf, die Technische Hochschule München ab WS 1903/04) Einzelpersonen und Frauenvereine halfen den Frauen in Wien den Zugang zum Studium an der Technischen Hochschulen zu erhalten.
Dieses Buch bringt uns die Schwierigkeiten von Frauen nahe, die Interesse hatten, ein Technikstudium zu absolvieren, und wie sie daran gehindert wurden. So erging es zum Beispiel Miroslava Javuorek, die 1916 um eine Zulassung als ordentliche Hörerin für das Fach Elektrotechnik ansuchte. Ihr Fall macht besonders deutlich, wie sehr es sich bei den so oft angeführten Ablehnungsgründen (Konkurrierung männlicher Mitbewerber, physische und/oder charakterliche Nichteignung von Frauen zu technischen Berufen) tatsächlich um vorgeschobene Argumente handelte: Frau Javuorek, eine geborene Donát, war die Tochter von Josef Donát, einer der Gesellschafter und technischer Leiter der bekannten Brünner Maschinenbaufirma Bartelmus. Donát &Cie. Zum Zeitpunkt ihres Ansuchens war sie, nach eigenen Angaben, bereits in der kommerziellen und technischen Leitung des Unternehmens tätig und sollte demnächst die Führung des Gesamtbetriebs übernehmen. Auch ihr wurde, trotz zugegebenermaßen schwerwiegender Argumente für ihren Wunsch, "aus prinzipiellen Gründen" nur die Hospitation erlaubt. (S. 61).
Vereinzelt wurde Gesuchen von Studentinnen der Chemie und der Versicherungstechnik stattgegeben, bzw. absolvierten Frauen ihre Staats- und Diplomprüfungen in anderen Ländern der Monarchie, wo es ihnen schon gestattet war zu studieren. Während des Ersten Weltkrieges konnten Frauen aufgrund des "Männermangels" viel eher studieren als zuvor, und vom Ministerium wurde einen Kommission zur generellen Lösung der Zugangsbeschränkungen für Frauen eingesetzt.
Aus den eingegangenen Stellungnahmen wurde eine Verordnung, die es Frauen erlaubt vom Studienjahr 1919/20 an der Technischen Universität Wien zu studieren, sofern sie den Nachweis der fachlichen Qualifikation erbringt, sowie daß die Aufnahmswerberinnen ohne Schädigung und Beeinträchtigung der männlichen Studierenden nach den vorhandenen räumlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen der einzelnen Hochschulen Platz finden können. (S. 82).
Somit konnten Frauen grundsätzlich an den technischen Hochschulen studieren. Doch waren noch nicht alle Hürden bewältigt. Eine Analyse der sozialen und geographischen Herkunft, der Studienfachpräferenz, der religiösen Zugehörigkeit, der Vorbildung und Studienerfolg der Studentinnen vom Jahr 1919-1945, gibt ein Bild über diese Studentinnengeneration. Diese Zeitspanne läßt sich in zwei Phasen einteilen, die sich durch ihre ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen deutlich voneinander unterscheiden: die Zeit der österreichischen Republik und die Jahre der nationalsozialistischen Okkupation 1938-1945.
In einem eigenen Kapitel befaßt sich Ute GEORGEACOPOL-WINISCHHOFER, Universitätsassistentin am Instituts für Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Industriearchäologie der TU-Wien, den Rahmenbedingungen von Frauen an der Bauschule /Architekturschule an der Technischen Hochschule in Wien seit dem Studienjahr 1919/20. Sie stellt Biographien von 18 ausgewählten ehemaligen Studentinnen dar. Es ist faszinierend, welch verschiedenartige Frauen aus so vielen verschiedenen Gründen den Wunsch hatten, Architektur zu studieren.
Der Zusammenbruch des "Dritten Reiches" hatte zunächst umfassende Veränderungen in der Zusammensetzung von Lehrpersonal und Studentenschaft zur Folge. Im Sommer 1945 kamen die aus dem Krieg heimgekehrten jungen Männer wieder an die österreichischen Universitäten und Hochschulen, deren geographisches Einzugsgebiet sich durch die neue politische Lage grundlegend und nachhaltig verändert hat. Der Rechtszustand von 1938 wurde wieder hergestellt, und die früheren Studien- und Prüfungsordnungen wurden wieder eingesetzt. Neue Gesetzte traten in Kraft, neue Studienordnungen wurden geschaffen, so zum Beispiel das "Technik-Studiengesetz" (TechStG) des Jahres 1969 (BGBl. 260/1969), das die Neugestaltung von Studienrichtungen gestattete.
Anpassung an die Praxis und stärkere Spezialisierung ließ 1970 die Studienrichtung Informatik entstehen, die bald für weibliche Hörerinnen eine gewisse Anziehungskraft beweisen sollte.
Im letzten Kapitel widmet sich Margit POHL, Universitätsassistentin am Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU Wien der zahlenmäßigen Entwicklung der Informatik-Studentinnen. Sie bearbeitet die Studienmotivation von Studentinnen und Studenten, deren Vorbildung und auch die Auswirkungen des inzwischen verpflichtenden EDV Unterrichts in Schulen, und versucht eine Aussage zu treffen, warum die Anzahl der Studentinnen im Fachgebiet der Informatik zurückgeht.
Dieses Buch ist nicht nur ein historisches Nachschlagewerk über die Frauen an der Technischen Hochschule in Wien, sondern erzählt anschaulich von den Hindernissen und Stolpersteinen der Frauen, mit denen wir zum Teil noch heute kämpfen. Als Studentin sehe ich mich nach dem Lesen des Buches ermutigt von meinen Vorgängerinnen, die es unter noch viel schwierigeren Bedingungen geschafft haben, zu studieren und das Studium auch abzuschließen. Sie die so oft verschwiegen und vergessen wurden sind existent in diesem einmaligen Buch.
Ich empfehle dieses Buch all jenen, die Vorbilder suchen, die Interesse an der Geschichte der Technischen Universität Wien haben, oder Beispiele für Frauen aus ihrem Fachgebiet suchen.
Autorin dieser Rezension:
Helga GARTNER, ehem. Studentin der Elektrotechnik,
1993 bis 1996 Frauenreferentin in der Hochschülerschaft der TU-Wien,
Mit-Initiatorin des Lise-Meitner-Literaturpreises, und
Mitglied des Frauenstammtisches des RLI.
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